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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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viel zu wertvoll, als dass man ihr wie einer fetten Gans den Hals umdreht. Wir müssen Agnes nur wiederfinden, das ist alles.«
    Mathis lachte verzweifelt auf. »Und wie sollen wir das anstellen, um Himmels willen? Die Burschen könnten mit dem Kahn an jeder x-beliebigen Stelle anlegen und ihre Reise zu Fuß fortsetzen! Wir werden sie niemals finden!«
    »Nicht, wenn wir wie geköpfte Hühner flatternd im Kreis herumlaufen. Wir werden Agnes wiederfinden, vertraut mir. Ihr habt mein Ehrenwort als Ritter.« Melchior schlug sich die rechte Hand vors Herz und nahm eine soldatische Haltung an, was angesichts seiner zierlichen Figur und dem verrutschten Barett ein wenig seltsam wirkte. Erhobenen Hauptes ging er auf das Gasthaus zu. »Im Übrigen sollten wir uns jetzt lieber um Euren verletzten Freund kümmern. Wenn für ihn nicht ohnehin jede Hilfe zu spät kommt.«
    Mathis zuckte zusammen. Ulrich Reichhart! Er hatte den Geschützmeister in den letzten Minuten tatsächlich vollkommen vergessen. Am ganzen Leib zitternd humpelte er Melchior hinterher und betrat kurz darauf die Wirtsstube.
    Der Raum sah aus, als hätten zwei Dutzend besoffene Landsknechte darin gehaust. Stühle und Tische lagen zerbrochen am Boden, dazwischen die Scherben von Krügen, Schüsseln und Tellern. Gleich im Eingangsbereich stießen sie auf die Leiche des Räubers, den Mathis mit seinem Knüppel erschlagen hatte. Er lag in einer Pfütze Blut und starrte mit gebrochenen Augen zur Decke, den Mund zu einem ungläubigen Staunen verzogen. Zwischen den Überresten eines Tisches hing der zweite Räuber, dem Melchiors Klinge den Hals aufgeschlitzt hatte. Die Leiche des ermordeten Wirts befand sich noch immer hinter dem Tresen.
    An der Wand unter einem der Fenster lehnte Ulrich Reichhart. Sein Kopf war nach vorne gesunken, seine Glieder ausgestreckt wie bei einer Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte.
    Reichharts Augen waren halb geöffnet, er atmete schwer, der Dolch des Anführers steckte bis zum Heft in seiner Brust. Mathis sah sofort, dass jede Hilfe zu spät kam.
    »Ulrich, was machst du nur!« Sachte näherte Mathis sich seinem Freund und Waffengefährten, der ihm im letzten Jahr so ans Herz gewachsen war. »Das … das wird schon wieder, glaub mir«, flüsterte er. »Ich besorge uns gleich ein wenig Hirtentäschel und Birkenrinde, und dann …«
    Ulrich Reichhart winkte ab. »Junger Narr! Ich weiß selbst, wie es um mich steht. Der Tod klopft an meine Tür. Verflucht …« Er fasste sich an die Brust. Offensichtlich hatte er große Schmerzen. »Ich … ich habe immer gewusst, dass es mal so mit mir endet«, keuchte er. »Ich bin ein Sohn des Krieges, geboren von einer Marketenderin auf dem Schlachtfeld zwischen Toten und Leichenräubern. Ich weiß, wann es vorbei ist.« Er schloss kurz die Augen, bevor er weitersprach. »Wo … wo ist Agnes?«
    »Diese Hunde haben sie mitgenommen.« Mathis biss sich auf die Lippen. »Aber wir werden sie wiederfinden, ganz sicher.«
    Reichhart nickte, und ein feines Lächeln spielte um seinen Mund. »Bist ein guter Junge, Mathis. Hättest das Zeug zu einem Feldwebel. Wirst es mit deinem Kopf noch mal weit bringen.« Er lachte leise, bis er plötzlich Blut hustete. »Da baut man sein Leben lang die ausgefuchstesten Feuerrohre, und dann erwischt einen so ein lausiger Drecksdolch. Aber tot ist tot.«
    »Ulrich, sag das nicht!« Tränen rannen über Mathis’ Wangen. Ihm war, als würde er innerhalb eines Jahres nun zum zweiten Mal seinen Vater verlieren.
    »Da … da ist noch etwas …«, brach es aus Ulrich Reichhart heraus. »Es … hat mit diesem … diesem Ring zu tun und mit den Träumen, die Agnes quälen. Ich … hätte … es schon viel … früher erzählen sollen. Nun … ist es wohl zu spät … Oooohhh, verflucht, diese Schmerzen …«
    Reichharts Finger tasteten plötzlich nach dem Heft in seiner Brust. Er umklammerte den Dolch, zögerte kurz, dann riss er ihn mit einer schnellen Bewegung aus der Wunde. Blut quoll hervor, und Reichhart stöhnte leise. Schließlich kippte er zur Seite, und seine Augen brachen.
    »O Gott, nein! Das … das darf nicht sein!«
    Mathis beugte sich über Reichhart, doch es war kein Leben mehr in dem alten Soldaten. Sein Gesicht hatte einen friedlichen Ausdruck angenommen, aller Schmerz, alle Trauer waren daraus verschwunden. Zitternd schloss Mathis dem Toten die Augen.
    »Aus der Tiefe rufe ich zu dir, Herr, höre meine Stimme! Wende dein Ohr mir zu, achte auf mein

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