Die Burg der Könige
für einen Heller. Von Ehre kann ich mir nichts kaufen. Vom Lohn für eine schöne Gräfin schon. Unten am Schwarzen Meer zahlen die Türken gute Preise für ein weißhäutiges adliges Liebchen.« Das Tier auf seiner Schulter kreischte zustimmend, ganz so, als würde es die Worte seines Herrn verstehen.
Während des Wortwechsels war Mathis immer weiter auf das Boot zugekrochen. Anfangs hatte er sich noch über die bestürzende Naivität des Barden gewundert, der dort wie eine Figur aus seinen eigenen Balladen im hellen Türrahmen stand, doch dann war ihm Melchiors huschender Blick aufgefallen. Der Barde hielt die Räuber mit seinen altertümlichen Possen hin! Wenn es Mathis gelang, die Bogenschützen unten am Steg auszuschalten, konnte Melchior mit einem schnellen Angriff Agnes möglicherweise befreien.
»Diese Gräfin hat ein großes Geheimnis!«, sagte der Barde nun feierlich. »Lasst sie frei, und ich erzähle Euch davon.«
»So, so, ein Geheimnis. Wenn ich mit ihr allein bin, wird sie mir jedes noch so kleine Geheimnis ins Ohr flüstern, darauf kannst du dich verlassen. Und jetzt schießt den tollen Hund endlich ab!«
Die letzten Worte waren an die Bogenschützen gerichtet. Zwei Pfeile sirrten durch die Luft, Melchior hechtete ins Wirtshaus, und die Geschosse schlugen irgendwo hinter dem Tresen ein. Mathis wusste, dass die beiden Männer nun einige Zeit brauchen würden, um ihre Bogen neu zu spannen. Er richtete sich auf und humpelte schreiend auf den Steg zu, wo er sich wie ein dunkler Racheengel auf einen der zwei Bogenschützen stürzte. Der schmächtige Mann ließ den Bogen fallen und griff fluchend zu seinem Dolch, doch Mathis war bereits über ihm. Mit den Armen rudernd stürzte der Räuber schreiend in die Fluten, wobei er im Fallen Mathis mit sich riss. Tosend schlossen sich die Fluten der Queich über den beiden.
Alles um Mathis wurde schwarz und kalt; endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, tauchte er wieder auf. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sein Gegner strampelte und gurgelte, offensichtlich konnte er nicht schwimmen. Schließlich verschluckte der Fluss den zappelnden Mann und trug ihn stromabwärts.
Mit einigen kräftigen Zügen kämpfte sich Mathis zurück zum Steg, doch das Boot hatte bereits abgelegt.
»Nein, nein! Agnes! Agnes!«
In letzter Verzweiflung klammerte er sich an die Reling des Kahns, aber der Bärtige gab ihm einen Tritt ins Gesicht, so dass er abglitt und ein weiteres Mal versank. Gedämpft hörte er durch die Wasseroberfläche ein schrilles Kreischen, es klang wie das Geschrei eines bösartigen Kindes.
»Ochk … aiser! Ochk … aiser!«
Die Worte waren rätselhaft, doch Mathis hatte keine Zeit, ihren Sinn zu hinterfragen. Wasser füllte seinen Mund. Wie wild ruderte er mit den Armen, doch diesmal schaffte er es nicht zurück an die Oberfläche.
Verzeih mir, Agnes … Ich hab dir nicht helfen können …
Plötzlich packte eine Hand Mathis am Kragen und zog ihn unter dem Steg hervor. Es war Melchior, der sich zu ihm hinabgebeugt hatte und ihn nun mit überraschender Kraft herauszog. Kurze Zeit später lag Mathis wie ein aus dem Wasser geholter Fisch auf den Planken, spuckte und rang nach Luft.
Gemeinsam mit dem Barden starrte er einem Schemen in der Dunkelheit hinterher, der kleiner und kleiner wurde. Ein letztes Mal ertönte das Kreischen des seltsamen Tiers, wie ein höhnischer Abschiedsgruß.
Dann waren der Spuk und Agnes verschwunden.
Eine ganze Weile lang waren nur das Rauschen des Flusses und Mathis’ Keuchen zu hören. Noch immer war er zu schwach, um aufzustehen. Schließlich wandte sich Melchior von ihm ab und bückte sich nach seinem Degen, der vor ihm auf dem nassen Steg lag. Mit einem zischenden Geräusch verschwand die Waffe wieder in der Scheide.
»Das ist ärgerlich«, murmelte der Barde. »Äußerst ärgerlich.«
» Ärgerlich ? Seid Ihr noch ganz …« Mathis setzte zu einem Fluch an, doch der Schmerz in seinem Bein und die Kälte ließen ihn stöhnend innehalten. »Agnes ist verschleppt worden!«, fuhr er schließlich mühsam fort. »Diese Teufel werden sie töten und …«
Melchior brachte ihn mit einer unwirschen Handbewegung zum Schweigen. »Sie werden sie nicht töten. Habt Ihr nicht gehört, was dieser Halunke gesagt hat? Er wird einen guten Preis für sie aushandeln. Diese Schurken sind ganz offensichtlich Hurenhändler, vermutlich vom Grafen oder dieser groben Bauernschar auf unsere Fährte gesetzt. Eine Gräfin ist für derlei Pack
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