Die Burg der Könige
gerecht, wenn sie sich nehmen, was ihnen gehört? Wenn’s sein muss, eben mit Gewalt!«
Von einer Sekunde auf die andere schien alles Leben aus seinem Vater zu entweichen, die starke Hand erschlaffte, und er starrte Mathis fassungslos an. Ein heftiger Hustenanfall, wie er ihn in den letzten Jahren immer häufiger hatte, schüttelte ihn. Die schwere Arbeit an der Esse forderte ihren Tribut, vor allem dann, wenn er sich aufregte. Schon ein paarmal hatte er das Bett hüten müssen und nicht weiterarbeiten können.
»Dann … dann warst wirklich du das, der im Wald geschossen hat, nicht wahr?«, keuchte der alte Schmied schließlich. »Wahrscheinlich mit deinen aufrührerischen Kumpanen, mit denen du dich immer triffst.« Er schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. »Mein Sohn ein Aufständischer, der brennend und mordend durch die Gegend zieht! Habt ihr bereits einen Menschen getötet? Ist es jetzt schon so weit?«
»Verflucht, so … so war es nicht!« Mathis hätte sich am liebsten geohrfeigt, dass er seinem Vater von den Bauern und den Pfaffen erzählt hatte. Warum musste der Alte bloß so jähzornig sein! Immer wieder verleitete er ihn zu Äußerungen, wo Mathis lieber geschwiegen hätte.
»Hört endlich auf, ihr zwei Streithansel!«
Martha Wielenbach trat zwischen die beiden und drückte ihren Sohn an sich. »Du fasst ihn zu hart an, Hans! Wie soll der Junge denn etwas einsehen, wenn du ihn immer bloß windelweich prügelst! Außerdem könntest du auch ein wenig stolz sein auf ihn. Vom Schmieden versteht er beinahe mehr als du, dabei ist er erst siebzehn. Und der Glockengießer, der letztes Jahr drüben im Eußerthaler Kloster war, hat ihn auch gelobt, weil der Junge ihm so geschickt bei der Arbeit geholfen hat.«
»Ha, vom Gießen mag er was verstehen und vom Geschütz- und Büchsenschmieden ebenso«, knurrte Wielenbach, der sich mittlerweile wieder ein wenig beruhigt hatte. Er wischte sich das schüttere rote Haar aus der Stirn und betastete mit seinen schwieligen Pranken vorsichtig den Pulversack. »Donnerpulver kann der Bursche mischen wie ein verfluchter Alchemist. Aber kann er auch ein anständiges Schwert schmieden? Nein, das kann er nicht!«
»Weil schon bald keiner mehr Schwerter braucht!«, meldete sich nun Mathis trotzig zu Wort und deutete auf den mit Lehm verschmierten Beutel. »Dieses Pulver hier wird die Welt verändern! Wer will schon Ritter, Armbrüste und Lanzen, wenn er mit hundert Pfund Schießpulver eine Bresche in jede Burg sprengen kann?«
»Das lass nur nicht den Burgvogt hören«, mahnte seine Mutter und tätschelte ihm die Schulter. »Die Schläge deines Vaters sind nichts gegen das, was dir dann blüht. Keine Ritter mehr, ha!« Sie schüttelte den Kopf. »Was für ein Unsinn! Ritter hat es schon immer gegeben. Fürsten, Ritter, Bauern und Pfaffen – so ist die Welt nun mal aufgeteilt. Sieh lieber zu, dass die Agnes nichts von diesem aufrührerischen Gerede erfährt. Was treibt sie eigentlich? Ich hab sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
»Ja! Wo ist die Agnes?«, krähte die kleine Marie. »Ich will wieder mit der Agnes Puppen spielen! Sie war schon so lange nicht mehr bei uns.«
»Wir … wir waren heute gemeinsam im Wald«, erwiderte Mathis unsicher. »Mit ihrem Falken.« Er hatte beschlossen, seinen Eltern nichts von der Begegnung mit den Räubern zu erzählen. Die Stimmung war schon ohnehin angespannt genug.
Martha Wielenbach lächelte. »Das freut mich. Ihr habt früher so viel Zeit miteinander verbracht, die Agnes und du. Aber in den letzten Monaten …«
»Sie sind keine Kinder mehr, Martha«, unterbrach sie ihr Mann. »Es ist besser, wenn sie getrennte Wege gehen. Agnes ist die Tochter des Trifelser Burgvogts und er nur ein einfacher Schmiedgeselle. Wo soll das schon hinführen?«
Mathis funkelte seinen Vater zornig an. »Haben wir alle nicht zwei Arme, zwei Beine und einen Kopf zum Denken?«, erwiderte er trotzig, und seine Stimme tönte plötzlich wie die eines Predigers. »Schlägt nicht in jedem von uns ein Menschenherz? Gott hat uns alle gleich geschaffen! Warum also sollte sie etwas Besseres sein, nur weil sie die Tochter des Burgvogts ist?«
»Ha, hör dir das an, Martha!«, rief Hans Wielenbach. »Das sind die Sprüche, die ihm dieser lausige Schäfer ins Ohr flüstert! Du weißt schon, der Bucklige aus Bindersbach mit seinen aufwieglerischen Reden.«
Martha stöhnte. »Schluss jetzt, ihr zwei! Drüben in der Stube dampft schon
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