Die Burg der Könige
absurd, dass sie kurz überlegte, einfach aus dem Saal zu stürmen.
Der Kämmerer hob entschuldigend die Hände. Offenbar war er von Agnes’ Ausbruch überrascht. »Ihr … Ihr müsst Euch ja nicht jetzt gleich entscheiden«, stotterte er. »Vielleicht in einem Monat, meinetwegen auch in einem halben Jahr …«
»Vergesst es, Heidelsheim. Ich werde mich nie für Euch entscheiden. Ein Schreiberling, das ist unter meiner Würde!«
Plötzlich bekam der Gesichtsausdruck des Kämmerers etwas Spitzes, fast Drohendes. Seine Haut wurde noch wächserner als ohnehin schon. »Passt auf, was Ihr da sagt, Agnes von Erfenstein!«, zischte er. »Ich bin nicht irgendwer. Ich komme aus einer angesehenen Wormser Bürgerfamilie! Wir haben Wald und Grund. Nur weil Ihr die Tochter des Trifelser Burgvogts seid, heißt das noch lange nicht, dass Ihr mich wie … wie Dreck behandeln könnt.« Er war aufgestanden und sah sie herausfordernd an. »Wann werdet ihr hochfahrenden Adligen bloß begreifen, dass eure Zeit vorbei ist! Schaut ihn Euch doch an, Euren Herrn Vater! Lehnsherr von zwei Dutzend dummen Bauern, die ihm nicht mal mehr die Pacht zahlen können!« Er lachte spöttisch. »Diese Burg ist nichts weiter als ein Haufen moosiger Steine, und alles, was Erfenstein noch bleibt, sind die alten Geschichten von längst vergangenen Fehden und Turnieren!« Er fasste Agnes’ Hände, seine Finger fühlten sich kalt und klamm an. Sein Tonfall wurde plötzlich leise und vertraulich: »Ihr müsst Euch entscheiden, Agnes, wo Euer Weg hinführen soll, in die Vergangenheit oder in die Zukunft. In ein paar Jahren kräht kein Hahn mehr nach einer alten Burgjungfer wie Euch. Andere Mädchen verloben sich schon weitaus früher. Die Leute fangen bereits an zu tratschen, sie halten Euch für …« Er lachte verlegen. »Nun ja, für ein wenig wunderlich. Also, was ist?«
Agnes riss sich los und funkelte Heidelsheim feindselig an, Wut und Ekel ließen sie erzittern. »Wie … wie redet Ihr überhaupt mit mir? Ich bin nicht Eure Metze! Ich werde meinem Vater erzählen, was Ihr da gerade gesagt habt. Dann könnt Ihr was erleben!«
Heidelsheim winkte hämisch lachend ab. »Und wenn schon! Glaubt Ihr, Euer Vater findet einen neuen Kämmerer, der sich zu ihm in dieses Drecksloch hockt? Eine Burg, die ihm unter dem Hintern wegfault und die der Herzog schon lange abgeschrieben hat? Ich weiß, Erfenstein sucht einen Ritter oder Freiherrn, der sich Eurer annimmt. Aber glaubt mir, der Vogt kann froh sein, dass er mich hat, und auch, dass ich ein Auge auf seine mittellose Tochter geworfen habe.« Sein Blick bekam plötzlich etwas Flehendes. »Agnes, versteht Ihr denn nicht? Ich will nur Euer Bestes!«
Mit ausgebreiteten Armen trat Heidelsheim auf sie zu, doch Agnes wandte sich brüsk ab.
»Sucht Euch eine andere Frau für Euer Bett, Kämmerer«, entgegnete sie kühl. »Ihr seid genauso trocken und langweilig wie Eure Bilanzen.«
Schon wollte sie aus dem Saal eilen, als sie plötzlich Heidelsheims klebrige Hände an ihrem Hals spürte. Mit aller Gewalt zog sie der Schreiber zu sich heran. Ihr Kleid zerriss mit einem hässlichen Geräusch, am Mieder waren das Unterkleid und der Ansatz ihrer Brüste zu sehen. Agnes zappelte und schrie, doch Heidelsheim hielt ihr den Mund zu. Mittlerweile schien er an ihrer Gegenwehr Gefallen gefunden zu haben. Gemeinsam fielen sie zu Boden, während die beiden Jagdhunde neben ihnen überrascht aufjaulten. Der Kämmerer beugte sich über Agnes, seine Lippen fuhren über ihre Brüste, während ihr sein stinkender Atem in die Nase stieg.
»Agnes!«, hauchte er. »Versteht doch! Ich … ich liebe Euch. Ich habe Euch schon immer geliebt. Schon als Ihr ein kleines Mädchen wart!«
Vor Schreck wie versteinert spürte Agnes, wie die rechte Hand des Kämmerers langsam nach unten zu ihrer Scham wanderte und sie dort mechanisch streichelte. Gestammelte Worte drangen an ihr Ohr, doch alles, was sie vernahm, war ihr laut pochendes Herz. Der durchdringende Geruch nach Zwiebeln und die tastenden Finger in ihrer Lendengegend ließen sie beinahe ohnmächtig werden. Wie eine Schnecke spürte sie Heidelsheims feuchte, raue Zunge an ihrem Hals. Als der Verwalter sich kurzzeitig aufstützte, um ihr Kleid weiter nach oben zu schieben, entwand sie sich ihm blitzschnell und stürzte auf die Treppe zu, die zur Küche hinunterführte.
»Agnes, so wartet doch! Ihr müsst mir glauben, ich … ich werde gut für Euch sorgen. Ihr macht einen großen
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