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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schweifen, die mittlerweile völlig im Dunkeln lagen.
    Es war der vertraute Ruf ihres Falken.
    ***
    Geduckt wie ein in die Enge getriebener Hund stand Mathis in der Mitte der Schmiede, während sein Vater den Beutel Schießpulver vor seinen Augen schwenkte. Die Glut in der Esse schimmerte schwach, und durch die mit dünnem Leder bespannten Fenster fiel nur wenig trübes Licht – jedoch genug, dass Hans Wielenbach gesehen hatte, was sich in dem Sack befand.
    »Wie kannst du es wagen, mit diesem Zeug mein Haus zu betreten?«, schrie Wielenbach seinen Sohn an. »Eine Schmiede! Weißt du eigentlich, was geschieht, wenn das hier Feuer fängt? Weißt du das?«
    Mathis bückte sich, als sein Vater zum Schlag ausholte. Trotzdem konnte er nicht vermeiden, dass ihn die Hand des stämmigen Schmieds seitlich an der Wange traf. Mit zusammengebissenen Zähnen rieb sich Mathis die Stelle, die bereits rot anlief. Dann richtete er sich wieder auf und starrte seinen Vater trotzig an. Schon bald würde der Tag kommen, an dem er zurückschlug.
    »Hatte ich dir nicht ein für alle Mal verboten, mit diesem Teufelspulver zu zündeln? Hab ich nicht gesagt, dass ich das hier nicht mehr sehen will? Red schon!«
    »Lass ihn, Hans«, ertönte nun die milde Stimme von Mathis’ Mutter, die mit der kleinen Marie ein wenig abseits am Amboss stand und sich müde die vom Rauch geröteten Augen rieb. Beide trugen graue, von der Herdasche schmutzige Kittel. Die Hungersnot der letzten zwei Winter hatte die Wangen von Mathis’ achtjähriger Schwester bleich und schmal werden lassen, und das, obwohl Agnes ihr und ihrem Bruder gelegentlich ein Stück Fleisch zukommen ließ. Dabei ging es den Wielenbachs noch besser als vielen anderen Menschen hier in der Gegend.
    »Er wird es nicht mit böser Absicht getan haben«, fuhr Martha Wielenbach besänftigend fort. »Nicht wahr, Mathis? Hast das Pulver wohl irgendwo gefunden.«
    »Ach was, selbst gepanscht hat er es, wie schon so oft! Wir hätten alle in die Luft fliegen können. Und er weiß das!«
    Zitternd vor Wut hielt Hans Wielenbach noch immer den Beutel mit dem Schießpulver in die Höhe. Sein Gesicht war verhärmt von Arbeit und Gram, tiefe Falten hatten sich darin eingefressen, die ihn weitaus älter wirken ließen, als er tatsächlich war.
    Mathis schwieg weiterhin störrisch. In dem Durcheinander auf der Lichtung hatte er den kleinen Sack schnell unter sein Wams gesteckt, um ihn nicht zu verlieren. Wochen hatte er für die Herstellung des Schießpulvers gebraucht; immer wieder war er nachts heimlich aus der Schlafkammer geschlichen und hatte die Wände des Abortschachts der Burg abgekratzt, um aus dem urinhaltigen Lehm den begehrten Salpeter zu gewinnen. Dann hatte er das Pulver mit Essig vermischt und immer wieder getrocknet, um es körnig zu machen. Hätte er das Ergebnis dieser harten Arbeit etwa auf der Lichtung zurücklassen sollen? Unter dem Hemd versteckt hatte er den Beutel mit nach Hause genommen – und war prompt seinem Vater in die Arme gelaufen.
    Mit weiter Geste holte Hans Wielenbach zum zweiten Schlag aus. Die kleine Marie wimmerte und drückte sich an ihre Mutter.
    »Vater, nicht!«, flehte sie. »Nicht schlagen!«
    Diesmal hatte Mathis beschlossen, nicht auszuweichen. Die Zeiten, wo er heulend vor seinem Vater weggelaufen war, waren längst vorbei.
    »Weißt du eigentlich, was mit deiner Mutter und mir geschieht, wenn sie dich mit diesem Pulver hier erwischen?« Klatschend traf die Hand Mathis’ linke Wange, aber der zuckte nur leicht zusammen. »Aufhängen wird man uns, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!«, tobte sein Vater, und ein weiterer Schlag landete in Mathis’ Gesicht. »Gerade jetzt, wo alle Welt von Aufruhr redet und in jedem Dorf die Bauern von sogenannter Gerechtigkeit krähen, da läuft mein Sohn mit einem Beutel Schießpulver durch die Gegend! Du undankbarer …«
    Erneut holte er aus, doch diesmal griff Mathis im letzten Moment nach der Hand und stemmte sich dagegen. Verdutzt hielt Hans Wielenbach inne, Schweißperlen rollten ihm über die breite Stirn, während Mathis den Arm seines Vaters wie einen schweren Baumstamm Zentimeter für Zentimeter zur Seite drückte. Kopf an Kopf standen sie sich gegenüber, beide in etwa gleich groß.
    »Und wenn … es doch … wahr ist!«, keuchte Mathis, das Gesicht rot vor Wut und Anstrengung. »Die Bauern fressen ihre eigenen Schuhe, während die Pfaffen in den Klöstern in Saus und Braus leben! Ist es da nicht

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