Die Burg der Könige
zu den Waffen. Gemeinsamer Anführer war ein gewisser Erasmus Gerber, ein einfacher Handwerker, der die einzelnen, teils zerstrittenen Haufen vereint hatte und auch in Straßburg viele Fürsprecher besaß.
Eben kam Melchior aus einer der vielen Hafenkneipen, die an der Ill, einem Nebenfluss des Rheins, lagen. Mutlos schüttelte der Barde den Kopf. Sie hatten bereits ein Dutzend Gasthäuser aufgesucht und vergeblich nach einer Gruppe Gaukler mit einem Affen gefragt, die in den Schwarzwald aufgebrochen waren. Außerdem hatten sie sich auf den Straßen bei Bettlern und Taschendieben umgehört, waren bei Flößern, Hurenwirten und Fährleuten gewesen, doch bislang hatte ihre Suche nicht das Geringste erbracht.
»Ich glaube, wir sollten uns lieber auf die andere Seite des Rheins begeben, nach Kehl«, meinte Melchior, während sie durch das stinkende Straßburger Gerberviertel stromerten. »Vielleicht sind die Burschen ja gleich von dort aus aufgebrochen und haben Straßburg links liegengelassen.«
»Wenn sie überhaupt bis Straßburg gekommen sind«, entgegnete Mathis missmutig. Sein Bein war in den letzten Tagen zwar wieder gut verheilt, nur ein leichtes Humpeln war ihm geblieben. Doch noch immer nagten Zweifel an ihm, ob Agnes und die anderen wirklich stromaufwärts gefahren waren.
Sie überquerten den Münsterplatz, der das Zentrum der Stadt darstellte. Der Straßburger Dom war so gewaltig, dass Mathis für einen Augenblick seine Sorgen vergaß. Staunend blickte er hoch zu den Türmen, den verwinkelten Dächern, den Heiligenfiguren und vor allem den Wasserspeiern, die ihn mit ihren Grimassen zu verspotten schienen. Er hatte gehört, dass das Münster jetzt den Lutheranern gehörte, die schon sehr früh in der Stadt Fuß gefasst hatten. Straßburg war einer der geistigen Mittelpunkte des Deutschen Reiches, vielleicht würde von hier aus die Revolution ja das ganze Land erfassen. Doch als Mathis die vielen klagenden, weinenden Flüchtlinge sah, die den Stadttoren zustrebten, zweifelte er, ob die Bauern auf dem richtigen Weg waren.
Böses bringt niemals Gutes hervor , dachte er.
Sie verließen Straßburg und gingen über eine breite Straße dem Rhein entgegen, über den sich eine mächtige Brücke spannte. Karren und Pferdefuhrwerke kamen ihnen entgegen, immer öfter sahen sie jetzt Menschen, die blutgetränkte Verbände trugen oder auf Bahren getragen werden mussten. Einbeinige Soldaten und Bettler mit schrecklichen Narben im Gesicht streckten ihnen die Hände entgegen.
In Kehl, auf der anderen Seite des Rheins, ging es weitaus beschaulicher zu. Die sanften Hügel der Ausläufer des Schwarzwalds erstreckten sich weit gen Osten, am Ufer dümpelten Kähne und Flöße, die von hier aus das kleine Flüsschen Kinzig befuhren. Es gab ein paar Weintavernen, doch auch hier hatte man nichts von einer Gauklertruppe gehört.
Entmutigt setzten sich die beiden Männer schließlich auf einen Steg und ließen ihre nackten Füße im Wasser baumeln. Das kühle Nass wusch den Schmutz der letzten Tage fort und umspülte die Schrunden und Blasen, die sie sich auf den letzten Meilen gelaufen hatten.
»Es ist, wie ich gesagt habe«, seufzte Mathis, »wir haben sie endgültig verloren.«
Melchior von Tanningen schwieg, doch Mathis sah, dass es in ihm arbeitete. Mit leerem Blick starrte der Barde aufs Wasser und kaute an seiner Unterlippe. Melchior hatte sich bislang als wertvoller Reisebegleiter erwiesen. Nicht nur, dass er ein hervorragender Kämpfer war, sein Verstand war fast ebenso scharf wie sein Degen aus Toledostahl. Bislang hatte er für alles eine Lösung gewusst, doch diesmal schien auch er mit seinem Latein am Ende.
»Ich war mir so sicher«, sagte er und schüttelte müde den Kopf. »So verdammt sicher.«
Sie schwiegen beide, schließlich stand Melchior auf und zog sich seine staubigen Stiefel wieder an. Er griff zu seiner Laute und klimperte ein wenig darauf herum. »Nun, wir können immer noch nach Sankt Goar«, schlug er vor.
»In das Kloster stromabwärts am Rhein?« Mathis sah ihn verständnislos an. »Aber was sollen wir dort?«
»Erfahren, was es mit Agnes’ Geheimnis auf sich hat. Meine Ballade kann so nicht enden. Außerdem – wenn es Agnes gelingt zu fliehen, wird sie sicher diesen Weg einschlagen. Vielleicht treffen wir dort wieder aufeinander.«
»In einer Ballade vielleicht, aber nicht im richtigen Leben. Wir werden niemals …«
Ein heiserer Schrei ließ Mathis innehalten. Er tönte aus einer
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