Die Burg der Könige
keine Verwendung für das Federvieh. Ich weiß allerdings, dass es am französischen Hofe einige exquisite Kochrezepte gibt, in denen Papageien eine große Rolle spielen. Vielleicht solltet Ihr Euren Gästen einmal etwas ganz Ausgefallenes servieren.«
Ohne ein weiteres Wort eilten sie hinaus zum Hafen, während der Wirt hinter ihnen zeterte und tobte. Noch lange konnten sie das Kreischen des Papageis hören, der Seine hochwohlgeborene Majestät Karl V. weiter in den höchsten Tönen lobte und dafür Kopf und Kragen riskierte.
»Ein Hoch auf den Kaiser, ein Hoch auf den Kaiser! Ein Hoch auf den Kaiser …«
KAPITEL 18
Bei Höchberg in Franken, 4. Mai,
Anno Domini 1525
in paar Tage später und viele Meilen entfernt marschierten Mathis und Melchior in der Abenddämmerung durch ein zerstörtes Land.
Nachdem ihnen der glatzköpfige Kehler Wirt berichtet hatte, wohin die Hurenhändler mit Agnes gezogen waren, hatten sich die beiden sofort auf den Weg gemacht. Kurz hinter Kehl war es Melchior schließlich gelungen, zwei alte Klepper aus einem Stall zu stehlen. Doch die Pferde hatten nach drei Tagen zu lahmen begonnen, so dass sie nun wieder zu Fuß unterwegs waren. Trotz der Eile war es ihnen nicht gelungen, den Lothringer Landsknechtstross einzuholen. Oder hatten sie ihn etwa längst hinter sich gelassen? Es war, als hätte der Krieg die Soldaten mit Mann und Maus verschluckt.
Mittlerweile hatte Mathis bei einigen Flüchtenden in Erfahrung bringen können, dass die Landsknechte, mit denen die Hurenhändler unterwegs waren, sich vermutlich dem Schwäbischen Bund angeschlossen hatten. Nur zum Schein hatte dessen Anführer, der Truchsess Georg von Waldburg-Zeil, unten am Bodensee mit den Bauern verhandelt und holte nun zum alles vernichtenden Schlag aus. Vom Süden her marschierten etwa zehntausend Söldner, darunter allein über tausend gepanzerte Reiter, mordend und brennend durch die rechtsrheinischen Gebiete, ein Rachefeldzug ohnegleichen. Wo sich die Landsknechte gerade genau aufhielten, war nicht herauszubekommen. Doch Mathis ahnte, dass sie beide auf ihrer überstürzten Suche viel zu weit nach Norden geraten waren.
»Wir suchen die berühmte Nadel im Heuhaufen«, murmelte er, während sie an einem halben Dutzend niedergebrannter Katen vorübergingen. »Dieser Krieg ist überall, und Agnes ist mittendrin, ohne Schutz, allein mit diesen Tieren. Vielleicht lebt sie schon gar nicht mehr.«
An den Ästen zweier verkohlter Ulmen baumelten die Leichen einiger Bauern im Wind, auch Frauen und Kinder waren darunter.
»Euch fehlt die Zuversicht, Meister Wielenbach«, entgegnete Melchior von Tanningen. Trotz der düsteren Stimmung zupfte er einige Akkorde auf seiner Laute, deren dünnen Klang der Wind mit sich riss. »Solange Agnes bei diesen Gauklern bleibt, ist noch Hoffnung. Ein Papagei und ein Affe. Irgendjemand wird sich früher oder später an diese seltsamen Tiere erinnern. Dann sind wir wieder auf der richtigen Spur.«
»Und wenn Agnes an jemand anderen verkauft wurde?«
»Dann finden wir auch diesen Schurken.« Melchior lächelte zuversichtlich. »Dies wird meine preisgekrönte Ballade, vergesst das nicht. Und von mir komponierte Balladen gehen immer gut aus.«
Wieder schlug er einige Saiten an, und Mathis verdrehte die Augen.
»Ihr würdet mir wirklich einen großen Gefallen tun, wenn Ihr …«, begann er. Doch da brach Melchior von Tanningen sein Spiel ab und schulterte die Laute. Die Hand legte er um den Knauf seines Degens.
»Was habt Ihr?«, fragte Mathis vorsichtig.
Sie durchquerten soeben ein Getreidefeld, dessen Ähren im Wind rauschten. Graue Rauchschwaden trieben auf die beiden Wanderer zu. Melchior wedelte mit der Hand, um den Rauch zu vertreiben. Mühsam blinzelte er, doch die Sicht wurde immer schlechter. Zudem ging die Sonne gerade hinter den Bäumen unter.
»Da ist wer«, erklärte der Barde schließlich. »Im Feld. Seht selbst.« Er deutete auf einige Ähren, die sich entgegen der Windrichtung bogen. »Zum Weglaufen ist es zu spät, also lasst uns wenigstens hoffen, dass es nicht allzu viele sind.«
Tatsächlich schälten sich nun aus dem Rauch einige Gestalten heraus. Es waren etwa ein Dutzend Männer, allesamt schäbig gekleidete Bauern, bewaffnet mit Sensen und Dreschflegeln. Sie hatten sich zwischen den Ähren verborgen und gingen nun mit erhobenen Waffen langsam auf die Wanderer zu.
»Gott zum Gruß!«, rief ihnen Melchior freundlich lächelnd entgegen. »Wir sind einfache
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