Die Burg der Könige
verzogen.
»Weg! Geh weg, du kleiner Teufel!«, flüsterte Agnes verzweifelt. »Nun mach schon!«
Doch es war bereits zu spät. Schmerzhaft spürte sie, wie sich ein Stiefelabsatz in ihre linke Hand bohrte. Als sie nach oben blickte, erkannte sie Samuel, der hämisch auf sie herabgrinste.
»Braves Tier.«
Er warf Satan eine Nuss zu, dann packte er Agnes an der Schulter, zog sie empor und hielt ihr sein Messer an die Kehle.
»Das war nicht schön, was du da mit dem guten alten Barnabas gemacht hast. Gar nicht schön.« Der Räuber schüttelte missbilligend den Kopf. Sein Messer spielte mit Agnes’ Mieder, während das Äfflein an seiner Seite weiter fiepte und keckerte. »Ich hab den Alten zwar nicht gut leiden können, aber immerhin war er der Anführer unserer Gauklertruppe. Wer soll denn jetzt das Publikum mit seinen Reden betören, hm?« Er machte eine unschuldige Miene. »Die Titten will dir Marek dafür abschneiden. Tststs, was für eine Verschwendung!«
Er blickte sich vorsichtig um, dann zerrte er Agnes plötzlich die wenigen Schritte hinüber zu Mutter Barbaras Karren, der ein wenig abseits des Feuers stand.
»Hinein mit dir!«, zischte er. Mit dem Messer an Agnes’ Kehle stieg Samuel mit Agnes die wenigen Stufen hinauf und warf sie ins Wageninnere. Flink kletterte Satan hinterher, schwang sich entlang der Segeltuchstangen und beobachtete von der Decke aus das weitere Geschehen.
»Die alte Barbara ist mal wieder schwer betrunken«, flüsterte Samuel Agnes kichernd ins Ohr, so dass sie seinen weinsauren Atem riechen konnte. »Hab’s selbst gesehen. Bis die hinkende Vettel draußen aufwacht, bin ich mit dir fertig, und dann soll dich Marek meinetwegen vierteilen.« Die Klinge fuhr durch Agnes’ Kleid und trennte es langsam auf. »Eigentlich müsste ich dir ja danken, dass du Barnabas umgelegt hast«, fügte er hinzu. »Jetzt kann ich endlich mit dir all das anstellen, von dem ich bislang nur geträumt habe.«
Agnes lag da wie zu Stein erstarrt. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten drohte sie vergewaltigt zu werden. Diesmal schien es wirklich keinen Ausweg mehr zu geben. Wenn sie um Hilfe rief, würden sie Marek und Schniefnase finden; wenn sie still blieb, machte ihr Samuel den Garaus. Agnes hatte ein paarmal selbst gesehen, wie geschickt der Gaukler mit dem Messer umgehen konnte. Einmal hatte Samuel einem betrunkenen streitsüchtigen Landsknecht in Windeseile Nase und Ohren aufgeschlitzt, diesmal war sie an der Reihe.
Das Messer glitt durch den Stoff und war bereits auf Brusthöhe angelangt, als aus dem hinteren Dunkel des Wagens plötzlich ein Schatten auftauchte. Es gab einen scheppernden Laut, dann sackte Samuel grunzend in sich zusammen. Das Messer fiel klirrend zu Boden, während das Äffchen über ihnen wütend schnatterte.
»Und jetzzzzz beweg deinen Arsch, Mädchen, hick, und mach, dass du hier wegkommst. Wenn du wirklich Barnabas auf’n Gewissen hast, dann … dann gnade dir Gott!««
Es war Mutter Barbara, die mit einer Bratpfanne in der Hand schwankend im hinteren Teil des Wagens stand.
»Ssss-Sssamuel hat recht gehabt«, lallte sie. »Ich hab mich wirrrrklich betrunken. Aber der Trottel hat nich gemerkt, dass ich mich irgendwann in meinen Wagen gelegt habe.« Sie kicherte, während sie auf den leblosen Samuel zu ihren Füßen starrte. Die Pfanne hatte ihn mit aller Wucht am Kopf getroffen, Agnes glaubte eine Blutlache neben ihm zu sehen.
»Weisssu eigentlich, warum ich mich so besoffen hab, hä?«, knurrte die alte Marketenderin plötzlich. »Weisssu das? Weil ich dich an Barnabas verraten hab, den alten geilen Bock! Und dann hab ich plötzlich Angst um mein Seelenheil bekommen, jawoll.« Sie tippte Samuel mit dem Fuß an, und er rollte zur Seite. »Na, wenigstens macht der wohl auch keine Frau mehr unglücklich. Verfluchte Drecksmänner!« Ihr Blick wurde plötzlich düster, dann sah sie Agnes ernst und klar an. Es schien, als wäre die alte Marketenderin von einem Moment auf den anderen nüchtern geworden. Mit einer plötzlichen Bewegung streifte sie ihr löchriges Wolltuch von der Schulter und reichte es Agnes.
»Zieh dir das über und hau ab«, brummte sie. »Humpel ein wenig, dann werden sie denken, dass ich es bin.« Sie gab Agnes einen Stups und rülpste verhalten, der beißende Geruch von Branntwein erfüllte das Innere des Wagens. »Ich kümmer mich um Agathe und um den Jungen, ver-versprochen. Schließlich hast du die Wette gewonnen, und ich hab dich noch
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