Die Burg der Könige
immer nicht bezahlt. Nun mach schon, bevor ich es mir anders überlege!«
Sie spuckte laut aus, und Agnes wandte sich ab. Am Eingang des Wagens drehte sie sich noch einmal kurz um.
»Warum?«, flüstere Agnes.
Mutter Barbara zuckte mit den Schultern. »Was weiß ich? Weil du anders bist? Weil ich spüre, dass du nicht hierhergehörst? Weil ich besoffen bin und auch einmal jung war? Jetzt geh schon, ich zähle bis zwanzig, dann werde ich schreien und sagen, dass du Samuel erschlagen hast.«
Agnes nickte zum Abschied, schließlich kletterte sie die Stufen hinunter, während hinter ihr Satan kreischte wie ein kleines zorniges Kind.
Als Mathis und Melchior in die Richtung rannten, aus der der Schrei gekommen war, sahen sie im Licht eines größeren Lagerfeuers, wie zwei Männer mit langen Dolchen auf sie zueilten. Schon glaubte Mathis an einen Angriff, doch die beiden beachteten sie nicht und liefen vorbei. Melchior stellte einem von ihnen ein Bein, worauf der Mann fluchend hinfiel.
»Verzeiht«, sagte der Barde in bedauerndem Tonfall. »Aber wir haben soeben eine Frau schreien hören. Vermutlich wollt ihr ihr gerade zu Hilfe eilen. Darf ich fragen, was geschehen ist?«
»Einen Scheißdreck darfst du!«, schimpfte der Mann am Boden und rappelte sich wieder auf. Er war klein und von gedrungener Statur. Zornig fuchtelte er mit seinem Dolch vor Melchiors Gesicht herum. »Lass mich durch, bevor ich dir ein Loch in dein hübsches Wams steche.«
»Alles, was wir wollen, ist eine Auskunft«, beharrte Melchior von Tanningen. »Es gibt keinen Grund, ausfällig zu werden.«
»Verflucht, ich habe gesagt …«, begann der Mann, doch der Zweite hielt ihn an der Schulter zurück.
»Lass, Marek«, beruhigte er. »Wir haben Wichtigeres zu tun. Die beiden holen wir uns später, jetzt schnappen wir uns erst mal Agnes.«
Melchior zog die Augenbrauen nach oben. »Oh, sieh an, das ist genau das Mädchen, das wir auch suchen.« Eher beiläufig legte der Barde die Hand auf den Degengriff. »Ich fürchte, es wird nun doch Zeit, uns mehr zu erzählen.«
In diesem Moment sah Mathis nicht weit entfernt eine alte Frau von einem der Karren weghumpeln. Sie ging gebückt und hatte ein Wolltuch über den Kopf gezogen, trotzdem fiel Mathis irgendetwas an ihr auf. Ihm war, als hätte er diese Frau schon öfter gesehen, ihre Gestalt, die Art, wie sie das Tuch hielt, das wirre blonde Haar, das in Locken darunter hervorlugte …
»Agnes!«, schrie er plötzlich. »Agnes!«
Ohne weiter nachzudenken, rannte Mathis auf die Gestalt zu, die erstaunt stehen blieb. Schließlich richtete sie sich auf und nahm vorsichtig das Tuch ab. Mathis lachte laut auf. Es war tatsächlich Agnes! Sie hatten sie endlich gefunden! Durch all die Schrecken des Krieges war er ihr gefolgt, viele Hundert Meilen hatte er zurückgelegt, und nun stand sie tatsächlich vor ihm, mit ihren strohblonden Haaren, ihren Sommersprossen und der hohen stolzen Stirn. Er konnte sein Glück kaum fassen! Er juchzte vor Freude und breitete die Arme aus.
»Agnes, mein Gott, endlich …«
»Meister Wielenbach, passt auf!«, erklang plötzlich Melchiors Stimme hinter ihm. Mathis drehte sich noch im Laufen um und sah, dass einer der beiden Männer auf ihn zurannte. Der andere kämpfte verbissen gegen den Barden, der mittlerweile seinen Degen gezogen hatte. Nun liefen von den benachbarten Feuern auch andere Landsknechte herbei.
»He, ihr da! Waffen runter!«, schrie einer von ihnen. »Sonst meld ich’s dem Profos, und ihr baumelt noch heute Nacht am Galgen!«
Doch weder Melchior noch sein Gegner dachten daran aufzuhören. Auch der zweite Mann hatte seinen Dolch erhoben und wollte sich auf Mathis stürzen.
»Lass mich durch!«, rief der Mann zornig. »Dieses Weibsstück hat einen von uns umgebracht. Wenn du sie schützt, machst du dich mitschuldig!«
Mathis blieb stehen. Er hob lächelnd die Hände und wartete, bis der Mann herangekommen war.
»Na also«, keuchte dieser. »Wusst ich doch, dass du vernünftig wirst. Jetzt hilf mir gefälligst …«
Ohne Ankündigung trat Mathis seinem Gegner mit aller Kraft zwischen die Beine, so dass dieser stöhnend wie ein morscher Ast einknickte. Dann verpasste er ihm einen weiteren Fußtritt.
»Ich weiß nicht, was ihr Agnes genau angetan habt«, knurrte Mathis, während er den am Boden Liegenden böse anfunkelte. »Aber so wie du aussiehst, war es sicher nichts Gutes. Also bleib gefälligst liegen, wenn du deine Zähne behalten willst.«
Dann
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