Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
Feldern zurückkehren und sie uns dann einen nach dem anderen abschlachten können. Was ihr gemacht habt, war nichts Geringeres als feige Fahnenflucht!«
    »Im Elsass, in der Stadt Zabern, da haben sie Tausende von uns niedergemetzelt«, meldete sich nun unsicher einer der rund ein Dutzend Bauern im Saal. »Versteh mich nicht falsch, Jockel, wir haben ja Mut. Aber was ist mit unseren Frauen und Kindern?« Als ein paar der Umstehenden beifällig nickten, fuhr er mit festerer Stimme fort: »In Zabern haben sie sogar die Säuglinge abgestochen. Und die Frauen haben die Landsknechte als Huren mitgenommen! Hier im Pfälzischen sieht es auch nicht gut aus für uns. Seit Würzburg in die Hände des Feindes gefallen ist und der Kurfürst seine Truppen gegen uns hetzt, geben immer mehr Städte auf. In Speyer haben sich Bürger und Bischof gütlich geeinigt, und drüben in der Grafschaft Neuscharfeneck leben die Bauern in der ständigen Angst, dass der alte Graf ein Strafbataillon schickt. Vielleicht ist es ja an der Zeit zu verhandeln, bevor es nichts mehr zu verhandeln gibt …«
    Er machte eine bedeutungsvolle Pause, und der Jockel nickte milde, so als hätte er ein Einsehen. Nun hieß es, vorsichtig zu Werke zu gehen.
    »Also gut, verhandeln«, sagte er schließlich und lehnte sich in seinem Thron zurück. »Kein übler Gedanke. Das haben auch die Bauern im elsässischen Zabern gemacht. Der Herzog von Lothringen hatte ihnen freies Geleit versprochen. Ohne Waffen sind die Bauern vor die Tore der Stadt gezogen. Und dann?« Die Männer sahen ihn erwartungsvoll an, und Jockel seufzte.
    »Dann begann das große Schlachten. Fast zwanzigtausend von uns haben sie wie Vieh niedergemetzelt. Zwanzigtausend! Wollen wir das also? Verhandeln ?«
    Die Bauern rund um den Thron murmelten verhalten. Jockel spürte, dass er sie wieder in der Hand hatte. In letzter Zeit fiel es ihm immer schwerer, seine Leute bei der Stange zu halten, und das, wo doch alles so verheißungsvoll begonnen hatte. Die Erstürmung von Burg Scharfenberg war nach der Entdeckung des Fluchttunnels ein Kinderspiel gewesen. Leider hatte Jockel seine Männer nicht davon abhalten können, die Burg zu brandschatzen und zu plündern. Bei all dem Rauben, Saufen und Fressen war ihnen der junge Graf Scharfeneck durch die Lappen gegangen, und damit ein sattes Lösegeld. Jockel hatte getobt und zwei der schlimmsten Säufer auspeitschen lassen.
    Bei dem nur schlecht bewachten Trifels, den sie tags darauf eingenommen hatten, waren die Bauern dann milder verfahren. Schließlich brauchte Jockel einen passenden Herrschaftssitz. Seitdem regierten er und sein Haufen vom Trifels aus über die gesamte Eußerthaler Gegend. Die Stadt Annweiler hatte sich dem Aufstand angeschlossen und zahlte Tribut, die umliegenden Burgen waren zerstört oder verhielten sich still.
    Doch seit einigen Wochen schien sich das Blatt zu wenden. Der Pfälzer Kurfürst Ludwig, der sich zunächst verhandlungsbereit gezeigt hatte, marschierte gemeinsam mit dem Trierer Erzbischof gegen die Bauern, eine Stadt nach der anderen gab auf oder wurde niedergebrannt. Es fehlte ein Fanal, ein Zeichen, das sie alle wieder einigen würde. Manchmal kam es Jockel so vor, als sei er der Einzige, der noch wusste, was von einem Anführer zu erwarten war.
    Er sah sich in dem vor Dreck starrenden Rittersaal um und schmunzelte bei dem Gedanken, dass einst vielleicht Kaiser Barbarossa hier gespeist hatte. Nun war er, der Schäfer-­Jockel, selbst ein Kaiser, Herr vom Eußerthal und Trifels und ein Herrscher über Leben und Tod. Gebieterisch klatschte er in die Hände.
    »Hört her, meine Brüder!«, begann er mit lauter Stimme. »Es ist noch nichts verloren. Im Gegenteil, erst gestern habe ich Nachricht erhalten, dass nun auch in anderen Ländern die Bauern sich erheben. England, Frankreich, ja sogar das ferne Spanien, alle stehen sie auf unserer Seite!« Das war dreist gelogen, doch seine Zuhörer waren dankbar für jeden Strohhalm. Hoffnungsvoll sahen sie zu ihm auf.
    »Aber wenn wir gewinnen wollen, müssen wir stark sein«, fuhr er fort. »Stark und unerbittlich! Und deshalb verfüge ich, dass die beiden Beschuldigten ausgepeitscht und anschließend in Annweiler an den Pranger gestellt werden, zur Mahnung an alle. Das ist nur gerecht.« Er nickte gütig und machte eine entlassende Geste. Eigentlich hatte er die beiden Burschen ja aufhängen lassen wollen, doch Jockel spürte, dass er damit zu weit gegangen wäre. Aber vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher