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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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andächtig lud er die Waffen mit Blei und Pulver, das er einem dicken, feuerfesten Ledersäckchen entnahm. Er überprüfte Zunderpfanne und den Brocken Pyrit, der im Hahn eingeklemmt war und wie Gold glänzte. Leise summend zog er die beiden Faustbüchsen mit dem kleinen Schlüssel auf, der immer an einer Kette um seinen Hals hing, dann steckte er die Waffen wieder in seinen Gürtel, so dass sie unter dem Mantel verborgen waren. Er verneigte sich leicht und sprach ein leises Gebet. Erst dann schlenderte er mit wiegenden Schritten auf das Kirchenportal zu.
    Es war an der Zeit, den Auftrag endlich zu Ende zu bringen.
    Der Mann, der sich als Pater Domenicus vorgestellt hatte, tappte die Stufen zur Kirche hinauf, ohne sich noch einmal nach seinen drei Begleitern umzusehen. Zögernd folgten sie ihm. Ihr Weg endete vor einer schmalen Tür rechts der Apsis, die der Chorherr mit einem rostigen Schlüssel seines Schlüsselbunds aufsperrte. Er winkte sie hinein. Der Raum dahinter war klein, mit schmalen Fenstern, durch die nur wenig Sonnenlicht drang. Einige Fackeln steckten in Haltern und blakten vor sich hin. An den Wänden und am kalten Boden prangten im Stein eingelassene Grabplatten, von denen aus Agnes die Reliefs der Toten anstarrten. Es roch modrig, und sie spürte einen leichten Windzug, den sie sich nicht erklären konnte.
    »Das hier ist der älteste Teil der Kirche«, sagte der Pater, und seine knarrende Stimme hallte durch das Gewölbe. »Die Taufkapelle von Sankt Goar. Hier wurden eine Reihe hoher Herrschaften bestattet, die dem Stift zu Diensten waren.« Er deutete auf eine der Grabplatten an der Wand, die einen alten Mann zeigte, dessen Hände ein zierliches Lamm hielten. »Der Prümer Abt Friedrich von Fels etwa, unter dem die Abtei während der Stauferzeit zum Fürstentum wurde. Daneben Abt Regino, der während der schlimmen Zeit der Normannen regierte und einer der größten Geschichtsschreiber seiner Epoche war. Oder die Gräfin Adelheid von Katzeneln­bogen …« Mit zittriger Hand wies Pater Domenicus auf eine im Boden eingelassene Grabplatte, die eine elegante Dame in höfischer Kleidung mit Schleier zeigte. »Sie schenkte dem Stift eine bedeutende Menge Geld, was den Ausbau der Bi­bliothek ermöglichte. Ihr Sohn Diether von Katzenelnbogen schließlich …«
    »Verzeiht, Pater«, fuhr Mathis dazwischen. »Das ist alles sehr interessant. Aber wolltet Ihr nicht etwas über den Ring erzählen, den Agnes trägt?«
    »Schweig, Bursche!« Pater Domenicus funkelte den jungen Mann an, seine buschigen Augenbrauen zitterten leicht im Licht der Fackel. »Immer prescht die Jugend vor und übersieht dabei das Wesentliche. Wenn Ihr verstehen wollt, hört gefälligst zu!« Er atmete tief durch, dann sprach er weiter.
    »Dass hier so viele Prümer Äbte liegen, ist kein Zufall. Seit jeher wacht die mächtige Benediktinerabtei über dieses Stift. Es war kein Geringerer als Friedrich der Staufer, der Enkel Barbarossas, der diese Abtei dann vor gut dreihundert Jahren zum unabhängigen Fürstentum machte. Der Kaiser knüpfte die Ernennung allerdings an eine Bedingung …« Pater Domenicus hob seine Stimme, so dass sie den ganzen Raum füllte. »Friedrich war besessen von Wissen! Er war vernarrt in Erfindungen, Studien, Aufzeichnungen, Bücher, Pergamentrollen – einfach in alles, was die Menschheit je erdacht hatte. Seine Klugheit war legendär, er war eben das ›Stupor Mundi‹, wie ihn die Gelehrten damals nannten, das Staunen der Welt. Und er beauftragte die Abtei Prüm, dieses Wissen zu horten. Also planten die Mönche eine riesige Bibliothek. Sie sollte in der Mitte des Deutschen Reiches liegen, an einem Ort, der von Reisenden gut zu erreichen war und in unruhigen Zeiten auch per Schiff angesteuert werden konnte. Ihre Wahl fiel schließlich auf Sankt Goar.«
    »Aber … aber ich sehe hier keine Bibliothek«, warf Agnes verdutzt ein. »Ich meine, wenn sie so groß sein sollte, wo sind denn all die Räume, die Regale, die es dafür braucht? Doch wohl nicht in dieser Kirche. Etwa in der Abtei nebenan?«
    Pater Domenicus lächelte schmal. »Wie ich schon sagte, wer voranprescht, übersieht das Wesentliche.«
    Er ging auf die Grabplatte an der Wand zu, auf die er zuletzt gedeutet hatte. Sie zeigte einen Geistlichen mit Abtsstab, der in der rechten Hand einen kleinen Kasten hielt. Erst jetzt bemerkte Agnes, dass dieser Behälter mit einer im Stein eingelassenen Platte verschlossen war. Pater Domenicus klappte sie zur

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