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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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wir hielten es für besser, die Tore zu schließen. Heutzutage wissen einige wieder von ihr. Wir suchen die Leute aus, und es werden jährlich mehr. Warum auch nicht?« Pater Domenicus seufzte. »Seit der Erfindung des Buchdrucks sind Bücher nichts Besonderes mehr, in jeder Stadt gibt es welche. Das macht sie zwar nicht mehr so anziehend für Diebe, aber auch ihr Zauber geht so leider verloren.«
    Mittlerweile waren sie in einen Gang zur Rechten abgebogen und an eine weitere Tür gelangt, die der Dekan mit einem seiner Schlüssel öffnete. Die Kammer dahinter war wesentlich kleiner, dafür bis oben hin vollgestopft mit dicken Wälzern und Pergamentrollen. Bis zur Decke reichende Regalwände teilten den Raum in Nischen, Gänge und Sackgassen ein, die allesamt im Dunkeln lagen. In der freien Mitte stand ein schwerer kreisrunder Tisch, auf dessen Platte drei schwarze Löwen auf gelbem Grund zu sehen waren. Einige morsche Klappschemel, die uralt zu sein schienen, waren dar­um postiert. Vorsichtig stellte Pater Domenicus die Laterne auf der Tischplatte ab und entzündete eine Reihe gläserner Lüster, die an Ketten von der felsigen Decke hingen. Agnes atmete auf. Endlich war es so hell, dass sie sich nicht mehr wie lebendig begraben fühlte.
    »Das hier ist das Herz der Bibliothek«, begann der Pater, während er suchend die Buchreihen abschritt und dabei hinter einer Regalwand verschwand. »Es sind dies die Werke, die Friedrich der Staufer selbst alle gelesen – oder sogar eigenhändig geschrieben hat.« Er kam mit einem zerfledderten Buch zurück, auf dessen Umschlag ein gekrönter König neben einem Greifvogel zu sehen war.
    »Dieses Buch kenne ich!«, rief Agnes überrascht. Der Raum schien ihre Stimme wie durch Zauberei zu verschlucken. »Das besitze ich auch. Es ist die …«
    » De arte venandi cum avibus« , unterbrach sie der Dekan lächelnd. »Die Kunst, mit Vögeln zu jagen. Kaiser Friedrich II. hat es selbst verfasst. Das hier ist das Original, von dem viele meinen, es wäre damals bei der Belagerung von Parma vernichtet worden.« Liebevoll strich er über den ledrigen Buch­rücken, dann stellte er das Exemplar zurück in ein Regal und wandte sich wieder den drei Besuchern zu. »Aber wir sind ja nicht hier, um über Vögel zu reden, sondern wegen des Rings an Eurer Hand, nicht wahr? Darf ich ihn kurz sehen?«
    Eher widerwillig streifte Agnes den Ring von ihrem Finger. Pater Domenicus holte unter seiner Kutte eine Glaslinse hervor und hielt sie gemeinsam mit dem Kleinod dicht vor sein Gesicht, so dass nun ein gewaltiges Fischauge Agnes anzuglotzen schien. Schließlich nickte der Dekan befriedigt. »Der Siegelring Barbarossas, ohne Frage. Es gibt nur diesen einen, man erkennt ihn an den winzigen Initialen, die im Bart verborgen sind. Für das ungeübte Auge erscheinen sie wie Kratzer.«
    »Aber ich dachte, es gäbe ganz viele dieser Ringe«, warf Agnes ein.
    Pater Domenicus lachte. »Wer immer Euch das gesagt hat, der hatte entweder keine Ahnung, oder er wollte Euch etwas verbergen. Dieser eine Ring wurde bei den Staufern von Generation zu Generation weitergegeben, als Zeichen ihrer Macht. Zuerst trug ihn Friedrich Barbarossa, dann sein Sohn Heinrich VI., schließlich Friedrich II. und am Ende dessen Söhne Heinrich, Konrad und Manfred. Alle starben sie, und auch die illegitimen Söhne Friedrichs kamen ums Leben, durch Kampf, Gift oder Krankheit. Als der erst sechzehnjährige Konradin, Friedrichs Enkel, unter dem Schwert der Franzosen fiel, ging der Ring über an den letzten männlichen Nachkommen der Stauferlinie: seinen Onkel Enzio, der bis zu seinem Tod über zwanzig Jahre lang in Bologna eingekerkert war.«
    Agnes nickte nachdenklich. »Von Friedrichs Nachkommen hat mir auch Pater Tristan erzählt, mein Beichtvater auf dem Trifels. Allerdings hat er den Ring in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Ich glaube immer mehr, dass mir Pater Tristan etwas verheimlichen wollte. Aber warum?«
    Plötzlich überkam sie trotz ihres warmen Mantels ein Frösteln. Mathis neben ihr schien das zu spüren. Er nahm ihre Hand und drückte sie sachte.
    »Den Ring hat Agnes in der Nähe des Trifels gefunden«, wandte er sich nun an den Dekan. »Na ja, vielmehr ihr Falke. Habt Ihr eine Ahnung, wie er dorthin gekommen ist? Vielleicht ist ja alles nur ein Zufall.«
    »Ein Zufall? O nein, das glaube ich nicht. Ganz im Gegenteil. Doch um das zu verstehen, muss ich Euch zunächst eine längere Geschichte erzählen.« Mit einer

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