Die Burg der Könige
hatte.
Es war ganz eindeutig der Teufel.
Der Sekretarius erschauderte. Kein Mensch konnte ein so schwarz gebranntes Gesicht haben! Im Schein der wild zuckenden Kerze glänzte es wie poliertes Ebenholz, weiße Augen rollten darin hin und her. Davon abgesehen war der Fremde aber durchaus von menschlicher Art. Er trug Hosen und Wams und darüber einen kostbaren pelzbesetzten Mantel, der vermutlich so viel wie Meinharts gesamte Garderobe gekostet hatte. Außerdem hinkte der Mann nicht, und es ging auch kein Schwefelgeruch von ihm aus. Meinhart trat zitternd einen Schritt zurück. Wenn der schwarzhäutige Fremde auch nicht der Teufel war, so schien er doch ein seltsamer Geselle zu sein, der um diese Zeit in der Speyerer Kanzlei wahrlich nichts verloren hatte.
»Was … was wollt Ihr?«, brachte Meinhart mühsam, aber beherrscht hervor.
Der Fremde deutete eine leichte Verbeugung an. »Verzeiht die späte Störung, Herr Sekretarius«, sagte er mit einem fremdartigen Akzent, jedoch so geziert wie ein hoher Herr. »Ich konnte nicht eher kommen, der Ritt von Zweibrücken ist weit. Ich bringe einen Brief des Herzogs.«
In einer fließenden Bewegung zog er unter seinem Mantel einen versiegelten Umschlag hervor, den er Meinhart überreichte. Der Schreiber öffnete ihn und las den Brief. Dann sah er sein Gegenüber verdutzt an.
»Ihr sollt Zugang zu allen Akten erhalten?«
»Ich bin sicher, der Speyerer Rat wird dem Herzog von Zweibrücken diese geringe Bitte nicht abschlagen. Zumal ich eigentlich nur ein paar bestimmte Akten benötige.« Der seltsame Fremde zog den Mantel so zurecht, dass Meinhart darunter einen Krummsäbel blitzen sah, eine Waffe, die eigentlich eher bei den heidnischen Muselmanen üblich war. Woher um alles in der Welt kam dieser Mann?
»Im Grunde benötige ich nur Informationen über einen bestimmten Ort«, erklärte der Fremde. »Es muss im Wasgau eine alte Burg geben, die Trifels heißt. Was wisst Ihr über die Gegend dort?«
Johannes Meinhart runzelte die Stirn. Schon lange hatte sich niemand mehr nach diesem alten Lehen erkundigt. Es hieß, die Burg sei nur noch eine Ruine und der Vogt ein versoffener alter Zausel. Was also konnte den Fremden daran interessieren?
»Nun, einst war der Trifels wohl so etwas wie der Mittelpunkt des Reiches«, begann der Sekretarius stockend. »Eine mächtige Kaiserpfalz, umgeben von einer Reihe Schutzburgen. Etliche deutsche Herrscher hielten dort Einzug. Kaiser Barbarossa residierte gelegentlich auf dem Trifels, sein Sohn Heinrich zog von dort aus gegen die Normannen. Aber all das ist lange her.« Meinhart versuchte ein vorsichtiges Lächeln. »Es gibt jedoch Leute, die behaupten, der alte Barbarossa schlafe noch immer unter dem Burgberg und werde erst wieder aufwachen, wenn dem Deutschen Reich Gefahr droht.«
»Tatsächlich? Das ist … überaus interessant.« Der Fremde schien einen Moment nachzudenken, dann fuhr er fort: »Ich brauche alles über diese Burg. Über den Bau, die ruhmreiche Vergangenheit und die Gegend rundherum. Weiler, Dörfer, Städte. Alles, was Ihr finden könnt. Und zwar jetzt gleich.«
Meinhart schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber das ist unmöglich! Die Akten sind nicht sonderlich gut sortiert. Außerdem ist es schon spät, und meine herzallerliebste Frau …«
»Habt Ihr den Befehl des Herzogs vergessen?« Der schwarzhäutige Mann trat nun ganz nah an Meinhart heran, so dass dieser einen süßlichen exotischen Duft wie von Weihrauch wahrnahm. »Ich bin sicher, der Rat der Stadt wäre äußerst ungehalten, wenn er erfahren müsste, dass sich ein kleiner Schreiberling dem Befehl eines Reichsfürsten widersetzt. Speyer ist mächtig, aber so mächtig?«
Meinhart nickte, wie benommen von dem süßlichen Duft. »Ich … ich werde sehen, was sich machen lässt.«
»Tut das, und zwar schnell. Oder muss ich dem Herzog erst Meldung machen?«
Der Fremde ließ sich in den Sessel hinter dem Schreibtisch fallen und scheuchte Meinhart mit einer ungeduldigen Handbewegung davon.
Mit klopfendem Herzen verschwand der Sekretarius im Archiv nebenan, wo er zwischen den unzähligen Regalwänden fieberhaft zu suchen begann. Wenigstens war er auf diese Weise weg von dem seltsamen schwarzhäutigen Mann, der wenn nicht aus der Hölle, so doch aus einem Land kommen musste, das der Hölle sehr, sehr nahe war.
Es dauerte geschlagene drei Stunden, bis Meinhart alles Wissenswerte über den Trifels und dessen Umgebung herausgesucht hatte. Es war weitaus mehr
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