Die Burg der Könige
erst wieder in die Arme schließt, wenn wir die Heilige Lanze gefunden haben. Dafür brauchen wir nämlich ihre Hilfe. Wenn ich das Gespräch vorhin richtig verstanden habe, hat die werte Frau Gräfin hier im Trifels Constanzas Grab gefunden und ist nun die Einzige, die weiß, wo die Reliquie ist.« Aufmunternd zwinkerte er Agnes zu. »Also, was ist? Ihr wolltet Eurem Freund doch gerade etwas erzählen. Wollt Ihr nicht damit fortfahren?«
Agnes biss sich auf die Lippen. Im Gegensatz zu Melchior und dem Grafen war ihr die Lanze nicht wichtig. Doch sie wusste, dass ihr Wissen um das Versteck jetzt die einzige Sicherheit darstellte, die sie noch am Leben hielt. Nur deshalb hatte Melchior sie nicht schon in Sankt Goar umgebracht. Wenn sie das Wissen nun preisgab, würden sie und Mathis vermutlich noch auf der Stelle sterben. Wenn sie allerdings schwieg, gab es Mittel, sie unter großen Schmerzen zum Reden zu bringen.
Constanza hat geschwiegen , dachte sie. Werde ich ebenso stark sein?
Nach einem Moment der Stille schnippte Friedrich von Scharfeneck plötzlich mit den Fingern und deutete auf Mathis. »Roland, Hans, Marten. Nehmt den Burschen und hängt ihn aus dem Palas, mit dem Kopf nach unten«, befahl er. »Ach, und schneidet ihm die Fußfesseln durch. Wollen doch sehen, ob meiner geliebten Gattin dann wieder etwas einfällt.«
Die Männer schritten auf den wie zu Stein erstarrten Mathis zu, packten ihn und schleppten ihn zu der eingestürzten Wand.
»Nein!«, schrie Agnes. »Ich rede. Aber dafür lasst ihr Mathis gehen!«
»Bist du wahnsinnig? Den Mann laufen lassen, mit dem du mich nach Strich und Faden betrogen hast?« Friedrich lachte. »Den Teufel werde ich tun! Aber ich sag dir, was ich mache. Wenn du jetzt redest, bleibt der Bursche so lange am Leben, bis wir die Heilige Lanze in den Händen halten. Mein Ehrenwort als hochgeborener Edelmann. Schließlich will ich nicht, dass du uns noch vorher heulend zusammenbrichst.«
»Keine Angst, ich werde nicht zusammenbrechen«, erwiderte Agnes und hielt sich weiterhin aufrecht. »Ich werde stark sein. Ihr sollt den Ort erfahren, allerdings …«
»Wie? Noch eine zweite Bedingung?«, schnarrte der Graf.
»Ich will, dass Constanzas Gebeine auf dem Trifelser Burgfriedhof begraben werden. Sie ist diejenige, die uns den Hinweis gegeben hat. Wir … wir sind es ihr schuldig.«
Melchior nickte. »Ein vernünftiger Vorschlag, wie ich finde. Schließlich wollen wir uns nicht die Rache eines Geistes zuziehen. Nicht, dass ich tatsächlich an so etwas glauben würde, aber man kann nie wissen. Außerdem war Constanza immerhin eine echte Stauferin. Was meint Ihr, Scharfeneck?«
»Meinetwegen.« Friedrich verdrehte die Augen. »Begraben wir ihre Knochen. Sie wird halt ohne Predigt auskommen müssen. Einen Pfaffen werden wir in das Geheimnis sicher nicht einweihen.« Er packte Agnes am Kleid und zog sie ganz nah zu sich heran. »Und nun red schon. Wo ist diese verdammte Lanze?«
Agnes schwieg eine Weile, ihre Augen waren in die Ferne gerichtet. Erst als Friedrich sie wieder losgelassen hatte, nickte sie zögernd.
»Also gut«, sagte sie schließlich. »Ich werde Euch den Ort verraten. Damit endlich Frieden ist. Frieden für Constanza und Frieden für mich.«
Während Melchior, Friedrich und Mathis sich auf einige der Felstrümmer setzten und die drei Landsknechte die Eingänge bewachten, begann Agnes von der vermauerten Trifelser Kammer und deren Geheimnis zu berichten. Sie sprach leise über die lateinische Inschrift im Kerker und die verblassten Königsgemälde – und von der uralten Geschichte, die die Bilder erzählten.
»Das Wissen um den unterirdischen Saal ist vermutlich damals von den Habsburgern aus sämtlichen Büchern getilgt worden«, sagte sie nachdenklich. »Keiner sollte je von Constanzas Grab erfahren. Es war bekannt, dass die Reichskleinodien fast zweihundert Jahre auf dem Trifels verwahrt wurden, doch keiner wusste bis heute von diesem Raum. Keiner, bis auf die Nachfahren Constanzas, die dieses Wissen von Generation zu Generation weitergaben.« Sie stockte. »Meine Mutter hatte mir damals wohl davon erzählt, doch ich war zu klein, um mich zu erinnern. Erst als ich dort unten im Kerker stand, kam dieses Wissen zurück.«
»Deshalb die Ohnmachtsanfälle«, murmelte Mathis. »Du hattest sie schon, als du mich vor einem Jahr im Kerker besuchst hast. Weißt du noch?«
Agnes nickte. »Vermutlich rührte daher auch diese Stimme, die ich schon als Kind
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