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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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erwiderte Agnes. »Er hätte mich dem französischen Königshaus ausgeliefert, und zwar lebend. Nicht wahr, Melchior?«
    Melchior winkte ab. »Eigentlich hatte sich seit längerer Zeit keiner mehr für die letzten Nachfahren der Staufer inter­essiert. Vor über zehn Jahren gab es noch einmal einen Versuch, sie hier in der Gegend ausfindig zu machen und aus­zuschalten. Der Versuch schlug fehl, wie Ihr selbst wisst. Aber dann bekamen die Franzosen letztes Jahr davon Wind.« Er zwinkerte Agnes zu. »Für den französischen König wärt Ihr eine gute Partie gewesen, edle Gräfin zu Scharfeneck-Erfen­stein, gerade jetzt, wo seine Frau Claude gestorben ist. Franz I. spechtet noch immer auf den Kaiserthron, nachdem er vermutlich schon bald aus der Habsburger Gefangenschaft entlassen wird. Eine Stauferin an seiner Seite hätte ihm da durchaus eine gewisse Glaubwürdigkeit verliehen.« Er seufzte bedauernd. »Nachdem Frankreich seinen Mann hierhergeschickt hatte, konnte der Kaiser natürlich nicht untätig bleiben. Schließlich war sein Thron in Gefahr.«
    Melchiors Schwerthand spielte mit dem Griff seines kostbaren Degens. »Ein geschickter Kämpfer übrigens, dieser französische Agent. Wir kannten uns von einigen früheren … nun ja, sagen wir … Begegnungen. Wenn ich auch noch nie viel von diesen neumodischen Faustbüchsen gehalten habe. Man sieht ja, wohin das führt.« Wieder verbeugte der vermeintliche Barde sich leicht vor Agnes, so als würden sie ein gemeinsames Schauspiel aufführen. »Dürfte ich Euch jetzt um den Siegelring bitten, Jungfer? Ihr habt ja nun ohnehin bald keine Verwendung mehr für ihn.«
    Agnes zuckte zusammen und griff intuitiv nach dem Ring an ihrem Finger. Mit ihm hatte ihre Reise begonnen, und mit ihm endete sie offensichtlich auch. Musste sie sich nun wirklich von ihm trennen? Sie versuchte, ihn abzuziehen, doch er saß so fest, als wäre er mit ihrem Fleisch verwachsen.
    »Ich fände es sehr schade, wenn Ihr mit dem Ring auch Euren Finger verlieren würdet«, sagte Melchior. »Ich bin untröstlich, aber leider muss ich auf der Übergabe bestehen. Zusammen mit der kaiserlichen Urkunde ist der Ring der Beweis, dass ich meinen Auftrag zu aller Zufriedenheit ausgeführt habe.«
    Agnes drehte erneut an dem Ring. Doch es war, als würde er sich weigern, sie zu verlassen. Er war ein Teil von ihr geworden. Dabei hatte er ihr nur Unglück gebracht. Seit sie in den Besitz des Schmuckstücks gekommen war, hatten sie Alpträume gequält, sie war durch Abgründe gegangen, ihr Leben hatte sich so sehr verändert, dass sie manchmal glaubte, ein ganz anderer Mensch zu sein als noch vor einem Jahr – und trotzdem hing sie an dem Ring. Er war wie ein Fluch.
    Geh weg! , dachte sie. Geh weg von mir und lass mich endlich in Frieden!
    Mit einem leisen Ploppen löste sich plötzlich der Ring und fiel klirrend zu Boden. Melchior griff nach ihm und steckte ihn in eine Tasche seines Wamses.
    »Danke«, sagte er lächelnd. »Ich denke, nun ist uns allen ein wenig wohler.«
    Wieder ertönten Schritte auf der Treppe. Diesmal waren es drei von Scharfenecks Landsknechten. Ihre Kleidung war ruß- und blutverschmiert, sie schwitzten stark unter den Waffenröcken, doch in ihren Augen lag ein zufriedenes Funkeln. Erst jetzt fiel Agnes auf, dass vom Burghof her kein Geräusch mehr zu vernehmen war.
    Draußen herrschte Grabesstille.
    »Wir haben die Bauern aus ihren Nestern getrieben und kurzen Prozess mit ihnen gemacht«, meldete sich ein breitschultriger Mann mit einer wulstigen Narbe im Gesicht. »Sie hängen zur Abschreckung allesamt draußen an den Zinnen. Ganz wie Ihr befohlen habt, Eure Exzellenz.« Er sah betreten zu Boden. »Nur ihren Anführer, einen gewissen Schäfer-­Jockel, den suchen wir noch immer. Hat sich vermutlich aus dem Staub gemacht, der feige Hund.«
    »Ihr könnt die Suche abbrechen«, erwiderte Agnes und deutete auf den großen Steinbrocken, um den sich eine Lache geronnenen Blutes gebildet hatte. »Über den Schäfer-Jockel hält nun ein anderer Herr Gericht. Eure Arbeit ist beendet.«
    »Schade«, ließ sich der Graf leise vernehmen. »Wirklich schade. Ich hätte dem Hund dafür, dass er mich so schändlich aus meiner Burg geworfen hat, gerne noch beim Sterben zugesehen.« Abschätzend musterte er Mathis und Agnes. »Aber immerhin habe ich ja noch Ersatz.«
    »Denkt an den Befehl des Kaisers, Scharfeneck!«, sagte Melchior von Tanningen mahnend. »Wir waren uns einig, dass Ihr Eure Herzensdame

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