Die Burg der Könige
Agnes ruhig. »Wenn du Wertingen aus seiner Burg rausholen willst, brauchst du Feuerwaffen. Anders wird es nicht gehen, das hast du selbst gesagt. Und der Ulrich wird dir dabei keine große Hilfe sein.«
Agnes hatte gründlich überlegt, wann sie ihren Vater mit ihrem Einfall überrumpeln konnte. Seit dem Besuch des Grafen waren einige Stunden vergangen, die sie für ihre Vorbereitungen genutzt hatte. Philipp von Erfenstein wirkte nun halbwegs ausgenüchtert, die Arbeit oben am Brunnenturm hatte ihm sichtlich gutgetan. Eigenhändig hatte der Vogt einige neue Balken vom Burghof herübergeschleppt und die Burgmänner Gunther, Sebastian und Eberhart in die Wälder geschickt, um noch mehr Holz zu besorgen. Agnes konnte sich also sicher sein, ihren Vater wenigstens für eine Weile allein sprechen zu können. Doch als sie nun sein verärgertes Gesicht sah, kam ihr der Einfall auf einmal reichlich unüberlegt vor.
»Ich soll einen Burschen, dem gerade mal der erste Flaum sprießt, zu meinem Geschützmeister machen?«, knurrte Philipp von Erfenstein und bückte sich, um die Axt wieder aufzuheben. »Ein Schlitzohr, der mir eine meiner Arkebusen gestohlen hat und den der Stadtvogt wegen Aufrührerei sucht? Bist du wahnsinnig?«
»Vater, Mathis sitzt schon lange genug im Kerker. Soll er denn dort unten verfaulen?«
»Meinetwegen. Das ist mir gleich.« Stoisch begann Philipp von Erfenstein, mit der Axt auf einen Balken einzudreschen. Fingerlange Späne flogen in alle Richtungen.
Agnes sah ihrem Vater eine Weile zornig bei der Arbeit zu, schließlich beschloss sie, alles auf eine Karte zu setzen. »Du hast gesagt, du würdest dir etwas für den Mathis einfallen lassen!«, brach es aus ihr heraus. »Aber getan hast du nichts. Gar nichts, außer Grübeln und Saufen! Also handle jetzt, Vater! Liefere Mathis dem Stadtvogt aus, verbanne ihn, schlag ihm meinetwegen die Hand ab – alles, nur lass ihn nicht weiter im Bergfried schmachten!« Sie atmete tief durch, bevor sie weitersprach: »Aber eins sag ich dir: Du machst einen großen Fehler! Der Mathis ist der Einzige hier auf der Burg, der wirklich etwas von Feuerwaffen versteht. Er kann dir die nötigen Geschütze für die Belagerung schmieden, und er weiß sie auch zu bedienen. Wenn du den Trifels verlieren willst, liefere den Mathis aus. Wenn du jedoch von Wertingen besiegen willst, dann lass Mathis das tun, was er am besten kann, nämlich Feuerrohre schmieden!«
So harsch hatte Agnes noch nie mit ihrem Vater geredet. Eine ganze Weile stand der alte Ritter reglos auf der im Wind ächzenden Brücke, den Mund weit geöffnet wie ein erstarrter Fisch, die Axt in der schlaffen Hand. Mit einem Mal hob er das schwere Werkzeug, und Agnes fürchtete schon, der Hieb könnte sie treffen. Doch die Axt fuhr nur krachend ins Geländer, wo sie stecken blieb.
Ganz plötzlich fing Philipp von Erfenstein lauthals zu lachen an. Sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich, Tränen liefen ihm übers Gesicht.
»Verflucht!«, keuchte er schließlich. »Meine eigene Tochter liest mir die Leviten! Wie früher meine Katharina, Gott hab sie selig. Ihr Weibsvolk habt Zungen wie unsereins Schwerter.« Er wischte sich die Lachtränen ab. »So ein Vorschlag kann auch nur von einer Frau kommen.« Schlagartig wurde er wieder ernst. »Selbst wenn ich den Mathis freilasse und ihn die Rohre gießen lasse, woher soll ich die Bronze dafür nehmen, hä?« Erfenstein deutete auf den maroden Brunnenturm, an dem einige der Zinnen fehlten. »Hast du vergessen, dass wir nicht mal genug Geld haben, um diese Burg auch nur notdürftig zu flicken? Sie stürzt mir buchstäblich unter dem Arsch ein!«
»Schmelz die Waffen ein«, entgegnete Agnes kühl.
»Was?« Ihr Vater sah sie verdutzt an.
»Schmelz die Waffen aus der Geschützkammer ein«, wiederholte sie. »Ich hab mich vorhin noch mit dem Ulrich unterhalten. Die Waffen sind alt, rostig und taugen nichts mehr. Schmelz sie ein und lass den Mathis daraus neue schmieden. Drüben im Kloster Eußerthal haben sie erst letztes Jahr eine Glocke gegossen, dort gibt es noch immer einen Brenn- und einen Gussofen. Pater Tristan wird den Abt bitten, dass wir beide benutzen dürfen.«
Agnes gab sich so ruhig wie möglich. Sie hatte sich vorher alles genau überlegt und sowohl Ulrich als auch Pater Tristan ins Vertrauen gezogen. Doch sie wusste, dass ihr Vater stur wie ein Ochse sein konnte, vor allem dann, wenn er glaubte, in die Enge getrieben zu werden.
»Aha, so ist’s
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