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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Pilger, doch bei Wien wurden sie erkannt und verraten. Der österreichische Herzog Leopold nahm Löwenherz gefangen und lieferte ihn dem deutschen Kaiser aus. Schließlich brachte man ihn auf den Trifels. Erst nach der Zahlung von hundertfünfzigtausend Mark Silber kam der englische König wieder frei. Mit dem Geld kaufte Heinrich VI. ein ganzes Heer und ritt nach Sizilien, wo er den sagenhaften Normannenschatz raubte.« Sie lächelte müde. »Der Normannenschatz … Es ist eine meiner Lieblingsgeschichten. Pater Tristan hat sie mir erst vor einigen Tagen wieder erzählt.«
    Mathis zwinkerte ihr zu. »Ich sehe, du magst Geschichten immer noch so gerne. Weißt du noch, wie du mir früher heimlich in der Bibliothek aus dem alten Balladenbuch vorgelesen hast? Wenn dein Vater wüsste, dass sich ein dreckiger Schmiedsohn in seinen heiligen Hallen herumgetrieben hat!«
    »Du tust ihm unrecht! Er mag dich, auch wenn er manchmal ein wenig rau ist.«
    »Natürlich. Und deshalb lässt er mich hier auch verrotten!« Mathis spuckte verächtlich auf den Boden, sein Blick wurde wieder düster. Er sah so elend aus, dass Agnes mit ­einem Mal ein grenzenloser Zorn auf ihren sturschädligen Vater überkam.
    Und das alles nur wegen einer einzigen gestohlenen Arkebuse!
    »Agnes, ich bitte dich! Du musst mir helfen!«, flehte Mathis. »Bring mir das Schießpulver! Es liegt im Schweinekoben neben unserem Haus unter einer Platte. Ich wusste schon, dass ich es noch brauchen würde.« Er sah sie eindringlich an. »Wenn du mich wirklich so magst, wie du immer sagst, dann hol es mir!«
    Agnes biss die Lippen aufeinander. »Es muss noch einen anderen Weg geben«, sagte sie. »Irgendeinen! Wenn ich dir das Schießpulver bringe, ist alles aus. So oder so.«
    »Agnes, vertrau mir! Ich kenne mich mit diesem Zeug aus.« Mathis ballte die Fäuste. »Verflucht!«, schrie er. »Wenn dein Vater mich doch nur einmal hätte beweisen lassen, was ich kann, dann hätte ich nicht diese verdammte Arkebuse gestohlen und dann wäre das alles nicht passiert!«
    Mit einem Mal erstarrte Agnes. Ein Gedanke huschte durch ihren Kopf, setzte sich fest und nahm langsam Gestalt an.
    Wenn dein Vater mich doch nur einmal hätte beweisen ­lassen, was ich kann …
    Sie packte Mathis fest bei den Armen. »Gib mir bis heute Abend Zeit, um eine andere Lösung zu finden, Mathis«, flüsterte sie. »Wenn ich bis dahin keinen Erfolg habe, sollst du das Schießpulver bekommen. Versprochen!«
    Mathis sah sie argwöhnisch an. »Was hast du vor?«
    »Lass mich einfach nur machen. Du bekommst dein verflixtes Schießpulver. Aber zunächst lass es mich auf meine Weise versuchen. Bitte!«
    Eine Weile war nur das leise Huschen und Fiepen der Mäuse zu hören. Mathis schien mit sich zu ringen. »In Ordnung«, sagte er schließlich. »Ich habe ohnehin keine andere Wahl.« Plötzlich drückte er sie so fest an sich, dass sie seinen Herzschlag spüren konnte »Ich vertraue dir, Agnes«, flüsterte er. »Ich vertraue dir, weil … weil ich dich …«
    Agnes hielt den Atem an. »Weil du was?«, hauchte sie.
    Er schüttelte den Kopf und schob sie so plötzlich von sich weg, als hätte er sich verbrannt. »Vergiss es. So etwas gibt es nur in deinen Geschichten, Agnes. Das wahre Leben sieht anders aus. Heda, Ulrich!« Die letzten Worte waren an den alten Geschützmeister oben im Vorratskeller gerichtet. »Wir sind fertig. Bring die vornehme Dame zurück zu ihrem Vater.« Er wandte sich ab und kauerte sich eine Ecke, wo die Düsternis seine Gestalt verschluckte.
    Gleich darauf zog das Seil Agnes wieder dem Licht entgegen. Ihr Herz schlug heftig, und das hatte nicht nur mit Mathis’ letzten Worten zu tun. Zum ersten Mal seit langem verspürte sie wieder ein wenig Hoffnung.
    Doch erst musste sie mit ein paar Leuten noch einige wichtige Gespräche führen.
    ***
    »Ich soll was ?«
    Dem Burgvogt fiel klappernd die Axt aus der Hand, und er glotzte seine Tochter mit großen Augen an. Für einen Moment schien es ihm wirklich die Sprache verschlagen zu haben.
    Agnes hatte ihren Vater am späten Nachmittag oben am Brunnenturm abgepasst, wo er eigenhändig Ausbesserungsarbeiten vornahm. Der Turm, in dessen Tiefen sich der Grundwasservorrat der Burg befand, stand ein wenig abseits des Hauptgebäudes und war mit diesem nur durch eine überdachte Brücke verbunden. Einige der Tragbalken waren so morsch, dass die Brücke einzustürzen drohte.
    »Stell den Mathis als zweiten Geschützmeister ein«, wiederholte

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