Die Burg der Könige
fegte mit der Hand einen der beiden Glaspokale zu Boden, wo er klirrend zersprang. »Ich weiß auch, dass es selbst mit Scharfenecks Landsknechten kaum möglich sein wird, wenn der Hund sich auf der Ramburg verkriecht. Das ist eine uneinnehmbare steinerne Festung! Aber es gibt kein Zurück mehr. Wenn ich von Wertingen nicht besiege, kann ich den Herzog nicht mehr bezahlen, und er nimmt mir den Trifels!« Sein Blick wurde trüb, er zitterte leicht. »Verstehst du? Dann wäre ich selbst bald wie er ein Ritter ohne Ehre«, murmelte er. »Ein mordender Halunke, der sich sein bisschen Brot mit Wegelagerei verdient oder vor die Hunde geht.«
Der Trifelser Burgvogt ließ sich zurück auf den Schemel fallen und griff nach dem zweiten, noch heilen Pokal.
»Und jetzt lass mich allein«, sagte er leise. »Ich möchte, verflucht noch mal, alleine sein.«
Agnes wollte zunächst etwas erwidern, doch dann schwieg sie. Eine Weile noch betrachtete sie ihren Vater, der mit glasigem Blick in die kalte Asche starrte, schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
»Ich liebe dich, Vater«, flüsterte sie, »egal, was geschieht.«
Damit drehte sie sich um und floh die Treppe hinunter, nur weg von diesem kalten, finsteren Ort. Im oberen Burghof wäre sie fast mit Ulrich Reichhart zusammengeprallt.
»Euch habe ich gesucht, Agnes«, sagte der Geschützmeister verdutzt. Er beugte sich verschwörerisch zu ihr, so dass sie seinen nach Branntwein stinkenden Atem riechen konnte. »Der Mathis will Euch sehen«, flüsterte er. »Ich lasse Euch zu ihm. Aber sagt um Gottes willen bloß Eurem Vater nichts!«
Agnes lachte verzweifelt auf. »Glaub mir, Ulrich, der hat zurzeit wirklich andere Sorgen.«
Ihre Stimmung schwankte zwischen Düsternis und plötzlicher Freude. Mathis wollte sie sehen! Hatte er ihr etwa verziehen? Oder war er vielleicht krank? Mit bangem Herzen begab sie sich mit Ulrich hinunter in den Bergfried.
Sie ließen Agnes mit dem Seil hinab in den Kerker. Obwohl Mittag war, fiel nur wenig Licht durch die schmalen Fensterschlitze, und so brauchte sie einige Zeit, bis sie Mathis endlich in einer Ecke des Raumes ausmachte, gehüllt in eine Decke, die ihm wohl der mitleidige Ulrich hinabgeworfen hatte. Agnes erschrak zutiefst, als sie ihn sah. Die Kerkerhaft hatte den zuvor so kräftigen Sohn des Schmieds deutlich verändert. Karge Kost, Wut und Trauer hatten ihn sichtbar abmagern lassen. Sein schmutziges Gesicht war eingefallen, die Schulterknochen zeichneten sich kantig unter der blassen Haut ab. Außer den mit Dreck und Kot verkrusteten Beinlingen trug er nur ein zerfetztes Hemd. Er sah klein und zusammengesunken aus. Nur sein Blick brannte wie Feuer.
»Agnes!«, rief er, als sie am Seil langsam zu ihm hinunterschwebte. Seine Stimme klang eher überrascht als erfreut.
Als ihre Füße den schmutzigen Steinboden berührten, strauchelte Agnes ein wenig, dann stand sie aufrecht vor ihm; das Seil verschwand wieder in der Dunkelheit. Eine Weile sagte keiner etwas, schließlich ergriff Agnes Mathis’ Hände und hielt sie ganz fest.
»Mathis«, flüsterte sie. »Es … es tut mir so leid.«
Mathis ließ ihre Hände los und funkelte sie zornig an. »Deinem Vater offenbar nicht«, erwiderte er eisig. »Wahrscheinlich lässt er mich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hier sitzen. Wenn ich bis dahin nicht verhungert oder erfroren bin.«
»Mathis, ich kann nichts dafür, dass mein Vater …«
»Mathis, ich kann nichts dafür …«, äffte er sie mit hoher Stimme nach. Wütend fegte er mit dem Fuß einen Strohhaufen zur Seite, und einige Mäuse suchten fiepend das Weite. »Verflucht, warum habe ich nur auf dich gehört! Warum bin ich nicht gleich in die Wälder geflohen! Warum hab ich dir vertraut!«
Agnes schluckte schwer. So hatte Mathis noch nie mit ihr geredet. »Ich habe Pater Tristan gebeten, mit meinem Vater zu sprechen«, sagte sie leise. »Ich bin sicher, dass er dich nicht ewig hier schmoren lässt. Wir werden eine Lösung finden.«
Mit einem verächtlichen Schnauben wandte Mathis sich ab. Er ging wieder in seine Ecke und ließ sich mit dem Rücken an der rauen Steinwand hinabgleiten. Im Schneidersitz und mit verschränkten Armen blieb er dort hocken.
Eine Weile herrschte Schweigen. Schließlich ergriff Agnes erneut das Wort. »Hast du mein Bild bekommen?«, fragte sie zaghaft.
Mathis nickte. »Es … es ist sehr schön«, murmelte er. Plötzlich grinste er. »Auch wenn ich darauf ein bisschen zu große Ohren habe.«
»Du hast
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