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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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steigen und davonreiten, doch dann wandte der Dunkelhäutige plötzlich den Kopf und blickte hinauf zum Dach des Hauses. Die Hebamme stöhnte leise auf.
    Weißer Rauch kräuselte aus dem kleinen gemauerten Kamin.
    Kein vernünftiger Mensch ließ ein Feuer länger unbeaufsichtigt, das wusste Elsbeth, und das wusste auch der Fremde. In diesem Augenblick musste ihm klargeworden sein, dass sie nicht weit weg sein konnte. Erneut wanderte sein Blick über den frisch gesäten Garten mit seinen Rankgittern und Beeten, schließlich schritt er quer über die geharkte schwarze Erde. Achtlos zertrat er die kleinen Setzlinge und Pflänzchen, bis er schließlich direkt vor dem Dornendickicht stand. Der Mann war jetzt so nah, dass Elsbeth seinen Atem hören konnte.
    »Onde está a velha bruxa? « , zischte er leise zwischen den Zähnen hervor.
    Elsbeth Rechsteiner konnte ihn nicht verstehen, doch es klang böse. Die Hebamme drückte sich tief ins Moos, als wollte sie eins werden mit dem Wald, der nun bereits im Dunkeln lag. Nicht weit entfernt hörte sie ein paar Zweige knacken, dann entfernten sich die Schritte wieder. Als sie endlich aufzublicken wagte, sah sie den Mann erneut auf die Hütte zugehen. Mit einem abgebrochenen Ast verwischte er sorgfältig seine Spur in den Beeten, dann sagte er leise etwas zu seinen beiden Gefährten. Schließlich führten sie alle drei ihre Pferde zurück in den Wald.
    Eine ganze Weile war nur das Zwitschern der Vögel zu hören.
    Elsbeth wollte schon aufatmen, als der dunkelhäutige Fremde plötzlich ohne sein Pferd zurückkehrte. Erneut betrat er die Hütte, aber diesmal schloss er vorsichtig die Tür hinter sich. Elsbeth spürte einen kalten Schauder über ihren Rücken kriechen.
    Er wartet! Er wartet, dass ich zurückkomme! Und die beiden anderen lauern im Wald!
    Minutenlang erklang nur das Tirilieren einiger Amseln, die in der Abenddämmerung den Frühling begrüßten. Alles war so seltsam friedlich, dass Elsbeth immer wieder für winzige Momente vergaß, in welcher Gefahr sie schwebte: Die Vergangenheit hatte sie eingeholt. Diese Männer waren keine einfachen Straßenräuber, keine vagabundierenden Landsknechte, sie waren ausgeschickt worden, um das zu beenden, was ihre Vorgänger vor gut zehn Jahren begonnen hatten.
    Und diesmal würden sie gründlicher sein.
    Elsbeth wartete noch eine kleine Ewigkeit, dann richtete sie sich ganz langsam auf. Ihre Glieder schmerzten vom langen Liegen im Moos, der Rücken pochte, doch sie gab keinen Laut von sich. Wie ein witterndes Reh stand sie einen Moment lang starr hinter den Büschen, dann drehte sie sich vorsichtig um und ging Schritt für Schritt in den Wald hinein, wobei sie tunlichst darauf achtete, auf keinen trockenen Ast oder Zweig zu treten. Nach endlosen Minuten hatte sie endlich einen fast nicht sichtbaren Trampelpfad erreicht, der über einen Umweg zur Straße führte. Jetzt erst war sie weit genug von der Hütte entfernt, dass sie es wagen konnte zu laufen. Keuchend hetzte sie den kleinen Pfad entlang, nur weg von dem schwarzen Mann, der in ihrer Hütte auf sie wartete, um ihr den Tod zu bringen, weg von seinen Gefährten, die im Wald auf der Lauer lagen. Gebückt und mit wild klopfendem Herzen humpelte die alte Frau vorbei an grünem Farn und frisch knospenden Birken, bis sie endlich die offene Straße erreicht hatte.
    Das Fuhrwerk eines Annweiler Bauern, gezogen von zwei Ochsen, kam ihr entgegen. Sie hielt es an und ließ sich von dem mitleidigen Mann in Richtung Waldrohrbach kutschieren, wo eine Nichte von ihr wohnte. Dort würde sie die nächsten Wochen, vielleicht sogar Monate unterschlüpfen müssen. Es galt, so schnell wie möglich den Kreis der Eingeweihten zu warnen! Gemeinsam mussten sie einige wichtige Entscheidungen treffen. Denn eines wusste die Hebamme bestimmt: Diese Männer, die von so weit her in den Wasgau gereist waren, würden nicht so schnell aufgeben.
    Noch einmal ging Elsbeths Blick zurück zu dem so friedlich wirkenden Waldabschnitt, wo noch immer der Tod auf sie lauerte.
    Ihr war, als hätte sein Atem sie bereits gestreift.

KAPITEL 6
    Kloster Eußerthal, im April,
    Anno Domini 1524
    n den nächsten Tagen und Wochen wurden Mathis’ größte Träume wahr.
    Philipp von Erfenstein hatte sein Versprechen gehalten und ihn nach dem Gespräch mit Agnes noch am gleichen Abend freigelassen. Auch wenn der alte Burgvogt Feuerwaffen nach wie vor verabscheute, hatte er Mathis tatsächlich erlaubt, sich drüben in Eußerthal als

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