Die Burg der Könige
also.« Der Burgvogt verschränkte seine muskulösen Arme vor der Brust. »Hast dich schon mit allen besprochen, außer mit deinem eigenen Vater. Wer weiß noch alles von deinem verrückten Plan? Na, sag schon! Wer?«
Agnes seufzte. »Sonst keiner, Vater. Aber auch Ulrich glaubt, dass der Mathis …«
»Was so ein versoffener Zausel meint, schert mich einen feuchten Dreck!«, fuhr Erfenstein barsch dazwischen. »Überhaupt, wie ich diese stinkenden Rohre hasse! Schießen einen tapferen Mann auf hundert Schritt über den Haufen – was hat das noch mit ritterlichem Kampf zu tun! Früher wurde so was bei einem Schwertkampf von Mann zu Mann geklärt.«
Er schwieg einen Moment, dann wiegte er bedächtig den Kopf. »Aber du hast ja recht. Wenn ich das Zeug auch noch so sehr verabscheue – ohne einen echten Mauerbrecher werden wir Wertingens Burg wohl nicht einnehmen. Was haben wir auf dem Trifels schon groß zu bieten?« Seufzend zählte Erfenstein an den Fingern ab. »Ein paar Dutzend Hakenbüchsen vielleicht, drei rostige Falkonette und eine Handvoll Mörser aus der Zeit deines Urgroßvaters!« Er lachte verzweifelt auf. »Die meisten von denen taugen höchstens noch als Kochtöpfe für Hedwigs Küche, aber vermutlich sind selbst dafür zu viele Löcher drin.«
Lächelnd trat Agnes einen Schritt auf ihren Vater zu, sie spürte, dass das Eis langsam brach. »Siehst du«, sagte sie sanft, »lass den Mathis das ganze Gerümpel einschmelzen. Ich verspreche dir, er schmiedet dir dafür einen Mauerbrecher, wie ihn der Trifels noch nie gesehen hat. Damit schießen wir eine Bresche in Wertingens Burg. Mathis hat mir mehrmals versichert, dass das möglich ist.«
Der alte Ritter runzelte die Stirn. »Woher will er das wissen? Er hat das doch noch nie gemacht! Schießpulver zusammenrühren, ja, das kann er vielleicht. Aber solche Rohre zu gießen, das ist noch mal ein anderes Handwerk. Zumal wenn es ein wirklich großes sein soll. Dafür braucht man eine jahrelange Ausbildung.«
»Er hat alles darüber gelesen, Vater.«
Philipp von Erfenstein sah sie argwöhnisch an. »Gelesen? Dieser Bursche kann lesen?«
»Ich habe es ihm beigebracht. In der Trifelser Bibliothek gibt es einige Bücher über Feuerwaffen. Er kennt sie alle. Und er hat immer wieder über neue Techniken nachgedacht und heimlich Waffen gezeichnet.« Agnes griff nach der Hand ihres Vaters, der noch immer unschlüssig auf der Brücke stand. »Lass es ihn doch wenigstens versuchen!«, flehte sie. »Wenn er scheitert, kannst du ihn ja wieder in den Kerker stecken oder dem Annweiler Stadtvogt ausliefern. Was hast du schon groß zu verlieren?«
In Erfensteins Kopf arbeitete es sichtlich. Er atmete schwer, sein Blick ging hinaus ins Land, hinüber zu den Hügeln, hinter denen sich Wertingens Burg befand. Nachdenklich zupfte er an seiner Augenklappe.
»Also gut«, brummte er schließlich. »Ich geb dem Jungen eine Chance. Wenn es ihm gelingt, ein so großes Feuerrohr zu gießen, dass der Ulrich es im Kampf einsetzen kann, soll er meinetwegen freikommen. Aber nur unter einer Bedingung!« Er sah seine Tochter streng an.
»Jede, Vater, jede!«, seufzte Agnes erleichtert.
»Wenn ich dich nur ein einziges Mal mit dem Burschen im Heu oder sonstwo ertappe, wenn mir meine Männer auch nur das Geringste über euch zwei Hübschen melden, steck ich den Mathis zurück ins Loch und lass ihn dort verfaulen. Ist das klar?«
»Aber Vater …«
»Sei still!«, unterbrach er sie barsch. »Meinst du, ich hätte keine Augen im Kopf? Ich seh doch, wie ihr zwei euch umgarnt! Damit muss Schluss sein, der Mathis ist kein Umgang für dich. Auch nicht, wenn dieser Dummkopf von Heidelsheim, weiß der Henker warum, das Weite gesucht hat. Du hältst dich von Mathis fern, verstanden?«
Agnes zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb.
»In … in Ordnung«, murmelte sie schließlich. »Ich tue alles, damit der Mathis wieder rauskommt.«
»Nun gut.« Der Vogt nahm die breite Axt und schlug sie ein weiteres Mal ins Holz, so dass sie diesmal bis zum Schaft im Balken steckte. Schließlich schritt er lächelnd über die schwankende Brücke auf den oberen Burghof zu. »Dann lass uns das Vöglein aus seinem Käfig holen, bevor es sich noch seine Flügel bricht.«
***
Unten im Tal, in den Annweiler Wäldern, lag die alte Hebamme Elsbeth Rechsteiner hinter einem Brombeerbusch und gab sich alle Mühe, nicht laut zu atmen.
Keine zehn Schritt von ihr entfernt stieg ein Mann im Licht der
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