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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Wielenbach hörte, dass sein Sohn für den Burgvogt drüben in Eußerthal ein großes Feuerrohr goss, begann er wild zu fluchen, bevor ihn schließlich ein weiterer Hustenanfall zurück ins Bett zwang. Es war seine Frau Martha, die ihm geduldig erklärte, dass Mathis eben nun an seiner statt für die Familie sorgte. Von dem Lohn, den Mathis vom Burgvogt erhielt, konnte Martha auf dem Annweiler Markt wenigstens das Nötigste für sich und die kleine Marie kaufen. Arzneien für ihren Mann waren allerdings zu teuer, und die Hebamme Elsbeth Rechsteiner, die Martha sonst immer aufsuchte, war seit einer Weile spurlos verschwunden. Man munkelte bereits, ein wildes Tier hätte sie beim Kräutersammeln im Wald geholt.
    Und so siechte Hans Wielenbach weiter vor sich hin. Mit Mathis gesprochen hatte er, abgesehen von ein paar geknurrten Worten, noch immer nicht.
    Nach drei Wochen war die Form für das Feuerrohr endlich fertig, nun ging es ans Gießen.
    Mathis hatte dafür alle Waffen der Geschützkammer in noch brauchbare und unbrauchbare eingeteilt. Alte und löchrige Büchsen und Mörser wanderten in den Schmelzofen, dazu kamen noch etliche Pfund Bronze und Zinn, das Mathis aus Bechern, Kelchen und schartigem oder kaputtem Werkzeug gewann. Ulrich und die anderen Burgmannen durchsuchten jeden Winkel der Burg nach verwertbarem Material. Sogar einige alte Töpfe von Hedwig mussten daran glauben, ebenso wie die zersprungene Glocke der Burgkapelle. Schließlich hatten sie genug beisammen, um mit dem Schmelzen zu beginnen.
    »Dich aus dem Loch zu holen war verflucht noch mal die beste Entscheidung, die der Vogt je getroffen hat«, brummte Ulrich Reichhart. Er stand auf einer Leiter, die an dem zwei Schritt hohen Ofen im Schuppen lehnte, und schleuderte soeben einen weiteren Zinnbecher in die rauchende Öffnung. Die aus rotem Sandstein erbaute, reichgeschmückte Klosterkirche war nur einen Steinwurf weit entfernt, aber Mathis, Ulrich und die anderen Burgmannen lebten in ihrer eigenen rauchenden, von giftigen Dämpfen vernebelten Welt.
    »Diesem Sauhund von Wertingen werden wir es zeigen«, fluchte Ulrich Reichhart und betrachtete versunken die brodelnde, glühende Masse unter ihm. Seit sie mit dem Bau des Feuerrohrs begonnen hatten, trank der alte Geschützmeister nicht mehr gar so viel. Es schien, als habe Mathis’ Begeisterung für die gewaltige Waffe auch auf ihn übergegriffen.
    »Wir schießen ihm die Burg einfach unter seinem fetten Arsch zusammen!«, fuhr er fröhlich fort. »Wirst sehen, die Landsknechte von diesem jungen Gräflein, das bald neben uns einzieht, die brauchen wir gar nicht!« Er lachte, und auch Mathis musste grinsen. Doch sein Lächeln erlosch jäh, als er an das vorwurfsvolle Gesicht seines Vaters dachte. Warum kann er denn nicht verstehen, dass sich die Zeiten geändert haben? , dachte Mathis. Warum muss er mir ständig Vorwürfe machen?
    Einen halben Tag lang schmolz die Bronze, bis sie endlich rot und flüssig wie Lava war. Schließlich öffnete Mathis das Abstichloch und goss die dampfende Masse durch Tonpfeifen in die fertige Form, die sich in einer Grube darunter befand. Nachdem sich der Guss nach zwei weiteren Tagen abgekühlt hatte, kam der spannende Moment, in dem die äußere Hülle abgeschlagen wurde. Darunter kam ein gewaltiges, zwei Schritt langes Rohr zum Vorschein, mit einer Mündung, so groß wie ein Kinderkopf. Es war fest, ohne Sprünge und aus einem Guss.
    Mathis hatte seine Meisterprüfung bestanden.
    Er lächelte selig; das Geschütz sah genauso aus, wie er es sich in seinen Träumen immer vorgestellt hatte. Gewaltig und massiv – eine tödliche Waffe in der Hand desjenigen, der sie handhaben konnte. Und bei Gott, er würde allen beweisen, dass er es konnte. Auch seinem störrischen Vater.
    Als Mathis an einem der darauffolgenden Tage gerade vor der Mündung kniete und mit einer Feile die Röhre von den letzten unebenen Stellen befreite, merkte er plötzlich, dass ihm jemand über die Schulter blickte. Er wandte sich um und sah Agnes, die spöttisch grinsend hinter ihm stand. Hatte sie den mehrstündigen Weg etwa nur auf sich genommen, um ihm einen Überraschungsbesuch abzustatten?
    »Man könnte meinen, du hättest nichts anderes mehr im Kopf als diese vermaledeite Eisenröhre«, sagte sie in leicht vorwurfsvollem Ton. »Wenn es so weitergeht, legst du dich noch nachts zu ihr.«
    Mathis hob entschuldigend die Achseln. Tatsächlich hatte er in den letzten Wochen weitaus mehr Zeit mit

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