Die Burg
zu Hause ankamen, war es weit nach Mitternacht, aber in der Küche brannte noch Licht. Im Kamin in der Halle flackerte ein kleines Feuer, und es roch tröstlich nach gutem Essen.
Arend und Sofia saßen am Küchentisch und unterhielten sich leise. «Da seid ihr ja!» Sofia stand auf. «Wir haben eine Suppe gekocht. Ihr habt doch sicher den ganzen Tag nichts Vernünftiges gegessen.» Der Tisch war für vier gedeckt, ein Korb mit frischem Brot stand in der Mitte, daneben eine geöffnete Flasche Burgunder. Astrid merkte, dass ihr die Tränen kamen, und blinzelte. «Danke», sagte Toppe nur und setzte sich.
Arend goss Wein ein. «Der Elektriker war heute da», sagte er. «Die Leitungen müssen vollständig erneuert werden.» Das alte Rittergut, auf dem sie lebten, war vor ihrem Einzug kernsaniert und instand gesetzt worden, aber es blieb immer noch genug zu tun. Im Moment waren sie dabei, die beiden Bäder und den Hauswirtschaftsraum, die in einem Seitenflügel lagen, zu renovieren.
Sofia stellte die Suppenterrine auf den Tisch und füllte die Teller. «Ich habe ein paar Fliesenmuster bei mir im Atelier. Vielleicht könnt ihr euch die morgen mal anschauen.»
Es tat gut, über normale Dinge zu reden, und Toppe spürte, wie sein Rücken sich entspannte, wie ihm langsam warm wurde und der Wein ihm angenehm zu Kopf stieg.
Astrid streckte sich. «Gott, bin ich auf einmal müde!»
Sofia lächelte. «Hört zu, ich habe im Moment nicht viel zu tun, keine Ausstellung, kein dringender Auftrag, und Arend hat sich auch freigenommen. Wir wollen für ein paar Tage an die Nordsee, ein Boot mieten, und wir dachten, wir könnten vielleicht Katharina mitnehmen. Ihr wisst doch, wie gern sie segelt.»
«Und ihr wisst, wie gern meine Frau Ersatzmutter spielt», sagte Arend grinsend. «Mal abgesehen von mir. Ich freue mich immer, wenn ich als Skipper ein paar Weiber herumkommandieren kann.»
Astrid schossen wieder die Tränen in die Augen. «Das wäre toll …»
«Also abgemacht», antwortete Sofia. «Sag du morgen früh deinen Eltern Bescheid, dann holen wir Katharina mittags bei ihnen ab.»
«Wie lange wollt ihr bleiben?»
«Bis Sonntag oder Montag.» Sofia zwinkerte ihr zu. «Wir rufen auch jeden Tag an, versprochen.»
Astrid zog sich ein dickes Flanellnachthemd über und schlüpfte unter die Bettdecke.
«Sehr sexy», brummelte Toppe und streckte sich aus.
Sie schlang ein Bein über seine Hüfte und schmiegte sich an ihn.
«Wie war es bei Panniers?» Er streichelte ihren Rücken.
«Schlimm», antwortete sie leise. «Die Jungen sind wie gelähmt. Tonis Bruder Wilhelm war bei ihnen, aber der scheint mir keine große Hilfe zu sein, er steht selbst völlig neben sich. Seine Frau hält irgendwie alles zusammen, kümmert sich um die Beerdigung und was sonst noch so ansteht. Sie wollte, dass die Jungen erst einmal zu ihnen ziehen, aber sie weigern sich. Sie … ich weiß nicht … sie halten sich aneinander fest.»
Sie seufzte und drängte sich plötzlich dicht an ihn. «Schlaf mit mir.»
«Sobald ich dich aus diesem Großmutterfetzen geschält habe», murmelte er und küsste sie.
«Et gibt ’n Video!» Ackermann stürmte in die Frühbesprechung, seine Brille war beschlagen. «Ich weiß, ich bin spät dran, hat seinen Grund. Wie ich diese Nacht nach Hause gekommen bin, hab ich mich noch kurz bei meine Frau auffe Couch gelegt. Die war grad am RTL-Gucken, Nachtjournal . Un’ ich denk’, mich tritt ’n Pferd – is’ da doch auf einmal unsere Burg, die Leute un’ der große Knall, alles drauf. Sogar mit Ton, da kriegt man echt dat Grausen. ’n Amateurvideo, kapiert? Un’ statt die Pfeife dat bei uns abgibt, schickt er et den TV-Fritzen. Wollt’ wohl die dicke Knete machen, hat er vielleicht auch, weiß ich nich’. Un’ ich hab jetzt grad den Typen bei RTL ’n bissken Feuer unterm Popo gemacht. Jedenfalls schicken die uns dat Band, per Kurier, versteht sich. Et könnt’ in zwei Stunden hier sein, meinen die.»
«Und?», fragte Cox gespannt.
«Wat, und?», wunderte sich Ackermann.
«Na, hast du etwas Wichtiges erkennen können?»
«Wie denn? Bis ich kapiert hatte, wat da lief, war et doch schon vorbei.»
Die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich wieder Astrid zu, die eine Reihe von Fotos an die Magnettafel gehängt hatte – lauter Menschen mit Mobiltelefonen.
«Dies hier ist im Augenblick das Interessanteste. Wenn die Zeitangabe stimmt, ist es nur zwei Minuten vor der Detonation aufgenommen worden.
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