Die Burg
von diesen Leuten einen anderen Menschen so tief verletzt, dass er auf diese bestialische Weise ermordet werden sollte?»
Cox ordnete seine Akten. «Fangen wir mit den Toten an: Da wäre Anton Pannier. Er hat über zwanzig Jahre als Chirurg im Krankenhaus gearbeitet, bevor er sich vor vier Jahren niedergelassen hat. Möglicherweise ist ihm irgendwann einmal ein Kunstfehler unterlaufen. Jemand hat gegen ihn geklagt und kein Recht bekommen.»
«Das wäre aktenkundig», sagte Toppe.
«Oder es ist gar nicht zu einem Prozess gekommen», gab Cox zu bedenken, «aber darüber dürften seine früheren Kollegen am Krankenhaus Bescheid wissen. Und für die letzten Jahre, die Mitarbeiter in seiner Praxis.»
«Wat is’ mit seine politische Tätigkeit?», fragte Ackermann. «Vielleicht is’ er da einem auf die Füße getreten?»
«Möglich», gab Cox zu. «Dann wäre da Ruth Pannier, seine Frau …»
«Sie hat Gedichte geschrieben, mein Gott!», sagte Astrid. «Wie soll sie sich damit einen Feind gemacht haben?»
«Ich kenne ihre Gedichte nicht …»
«Ach Blödsinn! Ruth war einfach ein netter Mensch, der niemandem Böses wollte.»
«Kanntest du sie gut?»
«Gut genug.»
«Schon lange? Ich meine, vielleicht gibt es irgendwas in ihrer Vergangenheit.»
«Okay», gab sich Astrid geschlagen, «ich werde das überprüfen.»
Cox blätterte um. «Der dritte Tote ist der Diplompsychologe Franz Hornung. Seine Frau ist Lehrerin, sie haben drei Kinder, das jüngste ist sechzehn. Er hat seit fast zwanzig Jahren in den Rheinischen Kliniken gearbeitet, und zwar in der Forensik mit alkohol- und drogenabhängigen Straftätern.»
«Auweia!» Ackermann verdrehte die Augen. «Da sind ’n paar fette Kaliber drunter.»
«Ja», sagte auch Toppe. «Und hin und wieder hat Hornung sicherlich jemanden, den er für nicht therapierbar hielt, zurück in den Knast geschickt. Ich stelle mir vor, dass in zwanzig Jahren sicher so einige Patienten zusammenkommen, die Hornung nicht unbedingt grün gewesen sind.»
«Kommen wir zu den Verletzten», machte Cox weiter. «James Connor – da haben wir noch nichts Neues, oder?»
«Nein», antwortete Toppe, «aber Penny steht in Verbindung mit dem CID in Worcester. Vielleicht bekommen wir heute Nachmittag schon erste Ergebnisse.»
Sven Jäger, der Stadtmanager, war für sie einstweilen ein unbeschriebenes Blatt, ebenso Eva Hendricks, die Vorsitzende der Städtepartnerschaft, und Marlies van Bentum vom klevischen Verein. Über Jürgen Kolbe, den Vorsitzenden des Sportausschusses, wusste Ackermann zu berichten, dass er ein Vereinsmeier war, der sich gern in die Nesseln setzte, aber das war es auch schon. Blieb nur noch Walter Lohmeier, der Kammergerichtspräsident. Bei ihm stellte sich das gleiche Problem wie bei Pannier und Hornung. Der Mann war seit vielen Jahren Richter und konnte sich durch seinen Beruf eine Menge Feinde gemacht haben.
«Na dann», sagte Toppe, «schwärmt aus!»
Cox und Ackermann starrten ihn verblüfft an.
«Entschuldigt», sagte er. «Ich lese Katharina im Moment abends ‹Kalle Blomquist› vor.»
Ackermann grinste. «Schwärmst du mit?»
«Ich fahre erst einmal zu Hornungs Familie.»
Toppe parkte sein Auto auf der Straße, denn in Hornungs Einfahrt stand ein Wohnwagen.
Die Tür war geöffnet, Kästen mit Töpfen, Lebensmitteln und Weinflaschen standen dort.
Es sah aus, als wollte die Familie in den Urlaub aufbrechen.
Er stieg die Stufen zur Haustür hinauf und klingelte. Es dauerte eine Weile, bis ein blonder junger Mann die Tür einen Spalt weit öffnete und ihn misstrauisch musterte. Er war sehr blass. Als Toppe sich vorstellte, glitt ein erleichtertes Lächeln über sein Gesicht.
«Ich dachte, es sei schon wieder jemand von der Presse.» Er gab Toppe die Hand. «Jonas Hornung», sagte er. «Möchten Sie meine Mutter sprechen? Sie ist oben.»
In der Diele stapelten sich gepackte Rucksäcke und Taschen.
«Ja, es wäre nett, wenn Sie sie holen würden.»
Es war sehr still im Haus.
Felicitas Hornung kam die Treppe herunter, ihrem Gesicht sah man die tiefe Trauer an, aber sie bewegte sich sicher, beinahe energisch.
«Mein Beileid.» Toppe drückte ihr die Hand.
«Danke», entgegnete sie abwesend und schaute sich um. «Es ist ein bisschen chaotisch hier, am besten, wir gehen in den Wintergarten, kommen Sie.»
Sie setzte sich auf die Sofakante und hörte sich an, was Toppe zu berichten hatte. Die Vorstellung, dass ihr Mann das eigentliche Ziel des Attentats
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