Die Burg
Presse hatte sich gewundert, dass der eher konservative Stadtrat sich ausgerechnet für diesen Mann entschieden hatte, und man hatte erklärt, dass Jäger schon anderswo Großartiges auf die Beine gestellt habe, weil er ein kreatives Genie sei, und gerade so jemanden brauche die Stadt in den heutigen Zeiten.
«Ich schicke Ackermann morgen ins Stadtmarketingbüro. Vielleicht findet er ja etwas.», sagte er. «Wusste Jäger nicht aus dem Kopf, wer am Sonntag dabei sein sollte?»
«Er sagt nein, und das glaube ich ihm auch. Helmut, der Mann ist von einem Pfosten durchbohrt worden. Es ist ein Wunder, dass er noch lebt. Ich bin froh, dass er überhaupt so viel reden konnte.»
«Hm.» Toppe lehnte sich gegen einen der geparkten Streifenwagen und holte seine Zigaretten hervor. «Du auch eine?»
«Nein danke, ich rauche so wenig wie möglich. Und wenn das Baby erst da ist, höre ich ganz auf.»
Das war Toppes Stichwort. «Darüber wollte ich mit dir reden.»
«Schon gut», fuhr van Appeldorn dazwischen. «Ich hätte mein Handy nicht ausschalten dürfen. Wird nicht wieder vorkommen, Chef.»
«Jetzt werd nur nicht komisch. Meinst du, ich weiß nicht, wie es dir geht? Ich kann dich im Moment nicht in Urlaub schicken, aber mir wäre es am liebsten, wenn du dir Arbeit mit nach Hause nimmst.»
«Jetzt wirst du komisch. Was könnte ich bei diesem Fall schon zu Hause ausrichten?»
«Dieser Fall», erwiderte Toppe bestimmt, «ist kein gewöhnlicher Fall. Wie haben eine Unzahl von Spuren und vorgeblichen Zeugen, und es ist wichtig, dass jemand die Fäden zusammenhält, damit uns nicht das geringste Detail verlorengeht. Es ist nicht so, dass ich es Peter nicht zutraue, wenn ich es einem zutraue, dann ihm, aber mir wäre wesentlich wohler, wenn einer da wäre, der sämtliche Ergebnisse noch einmal gegencheckt.»
«Ausgerechnet ich soll Aktenarbeit machen?» Van Appeldorn schnaubte und schüttelte den Kopf, dann griente er. «Den Job hast du dir doch heute erst ausgedacht.»
Toppe lächelte zurück. «Es ist wirklich wichtig, das weißt du auch.»
«Und wer soll meine Ermittlungen übernehmen?»
«Ich», antwortete Toppe und trat mit zufriedenem Gesicht seine Zigarette aus. «Den Verwaltungskram mache ich nebenbei. Schließlich hat man mir eine Sekretärin zugeteilt, die bisher vor Langeweile fast erstickt. Sie wird sich freuen, wenn sie endlich tätig werden kann.»
Nach der Abendbesprechung hatte Toppe die Kollegen aus Krefeld nach Hause geschickt. Nichts schien im Augenblick so dringend, dass man eine weitere Nacht durchmachen musste. Sie waren alle froh gewesen, wieder in ihren eigenen Betten schlafen zu können, und würden am nächsten Morgen früh wieder da sein und so lange arbeiten wie nötig. Nur Cox, Astrid und Ackermann waren geblieben und Toppe in sein Büro gefolgt. Astrid schaltete die Lampe am Schreibtisch an und die Deckenbeleuchtung aus – sie hatte Kopfschmerzen.
«Ehrlich», sagte Ackermann und ließ sich auf einen Stuhl fallen, «ich würd mir am liebsten die Birne zusaufen. Den ganzen Tag hab ich bloß Nieten gezogen. Et gibt einfach keine Gemeinsamkeiten bei denen, die auffe Bühne gestanden haben.»
«Dann müssen wir davon ausgehen, dass tatsächlich nur einer von ihnen gemeint war», sagte Toppe. Er hatte sich nicht hingesetzt. Es wurde Zeit, dass sie nach Hause kamen. Cox nickte. «Das hat Penny ja auch schon getan, ganz intuitiv.»
«Also gut.» Astrid rieb sich gequält die Nasenwurzel. «Einer von den Menschen auf der Ehrentribüne hat sich jemanden zum Feind gemacht. Und dieser Jemand will sichergehen, dass sein Opfer auch wirklich stirbt, und wählt deshalb als Waffe eine Bombe. Dafür nimmt er sogar den Tod Unschuldiger in Kauf. Wir gehen also von Hass, oder besser von Rache als Motiv aus.»
«Wie wär’ et mit Habgier?», warf Ackermann ein. «Könnt’ doch sein, dat einer vonne Ehrengäste dick wat zu vererben hat, oder?» Er zog eine Grimasse, als er die irritierten Blicke der anderen bemerkte. «Nich’? Na gut, dann also Rache. Dann lasst uns ma’ gucken, wen wir denn da alles so haben. Da wär’ erst ma’ der Toni Pannier. Der war Arzt, da könnt’ doch gut ’n früherer Patient … oder wartet ma’, vielleicht besser ’n Angehöriger …»
«Bitte, Jupp», Cox stöhnte vernehmlich, «nicht mehr heute Abend. Es ist halb zwölf, und ich bin wirklich kaputt.»
Toppe griff nach seiner Jacke. «Peter hat recht. Lasst uns Schluss machen.»
Sieben
Als Toppe und Astrid
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