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Die Burg

Die Burg

Titel: Die Burg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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erklärt.
    Immer mehr Zuschauer kamen den steilen Aufgang zum Burgberg hinauf und beobachteten neugierig die kostümierten Männer und Frauen der Militia, die letzte Hand an die Dinge legten.
    Katharina entdeckte die Zwillinge aus ihrer Klasse. «Dürfen wir ein bisschen rumlaufen?»
    «Ja», antwortete Toppe, «aber bleib in der Nähe, sonst verlieren wir uns noch im Gedränge.»
    Man rechnete mit mehr als fünfhundert Zuschauern. Unten auf dem Parkplatz, gleich hinter den Dixiklos, standen mehrere Streifenwagen, und Toppe sah, dass die grünen Kollegen sich zügig auf dem Gelände verteilten. Jemand schlug ihm kräftig auf die Schulter. «Du auch hier, Chef?» Es war Josef Ackermann vom Betrugsdezernat, der frohgemut ein großes Eis schleckte.
    Astrid schüttelte sich. «Wie kannst du nur bei dieser Kälte!»
    «Ach wat, dat is’ bei uns Tradition: Ostern dat erste italienische Eis auffe Faust.» Und er lachte. «Habt er gesehen? Dat halbe Präsidium is’ aufgelaufen. Da vorne steht sogar Freund Norbert. Wer hätt’ gedacht, dat der auf billiges Volksvergnügen steht.»
    Toppe folgte seinem Blick: Norbert van Appeldorn, sein langjähriger Weggefährte, stand im Schutz eines Mauervorsprungs, den Arm um seine hochschwangere Frau gelegt. Er winkte, aber die beiden sahen ihn nicht.
    «Lass ma’», meinte Ackermann. «So ’n junges Glück soll man nich’ stören.» Er stopfte sich den Rest seines Eishörnchens in den Mund und leckte sich die Finger ab. «Ich muss dann ma’ wieder. Meine Mädkes halten mir gegenüber ’n Platz inne erste Reihe frei.» Damit tätschelte er Astrid den Rücken und verschwand in der Menge.
    Katharina tauchte gerade rechtzeitig wieder auf.
    «Ich glaube, jetzt geht es los», flüsterte Astrid ihr ins Ohr und nahm sie fest an die Hand. Sie schaute zur Ehrentribüne hinüber, die inzwischen besetzt war. Ruth und Toni sprachen mit John, der einen Spitzhelm und eine Hellebarde trug. Dann ging Toni ans Mikrofon, sprach ein paar Begrüßungsworte und stellte die Militia vor. Er betonte, dass nicht mit scharfer Munition geschossen werde, dass man dennoch weit zurücktreten und besonders auf die Kinder achten möge.
    Es gab keinen Startschuss, kein Signal, und so dauerte es eine Weile, bis die Zuschauer merkten, dass das Schauspiel begonnen hatte, und allmählich leiser wurden.
    Die Militia stellte das alltägliche Leben auf einer Burg dar. Frauen trugen Wäschekörbe, fegten den Vorhof, hielten inne für einen kurzen Plausch, Kinder vergnügten sich an einem Wassertrog, im Innenhof hockten auf umgedrehten Zubern ein paar Bauernburschen, tranken Bier und zielten mit kleinen grünen Äpfeln auf die Hühner, die gackernd auseinanderstoben.
    Da ertönten von weit unten, von der Großen Straße her, dumpfe Trommelschläge, und für einen Moment erstarrten alle Akteure. Dann schrien die Frauen auf, flohen auf das Tor zu, versuchten verzweifelt, die Kinder in Sicherheit zu bringen. Im Innenhof wurde wild durcheinandergebrüllt. Die Burschen schleppten Holzgatter, ein Wagen wurde herangeschoben, die Frauen rollten schwere Fässer – man errichtete eine Barrikade. Die Trommeln kamen näher, zu sehen waren die Angreifer noch nicht, aber man hörte sie rufen: «One King – King Jesus!» Angstvolle Stille hatte sich über die Burg gesenkt, beinahe lautlos gingen hinter der Barrikade Musketiere in Stellung, in der zweiten Reihe die Bauern, bewaffnet mit Mistforken und Dreschflegeln.
    «Ist das gruselig», flüsterte Astrid. Toppe legte den Arm um sie, auch ihm lief ein Schauer über den Rücken. Er sah John im Schatten der Burgmauer stehen und das Szenario aufmerksam im Auge behalten. Beklommene Ruhe, und dann fiel der erste Musketenschuss, die holländischen Soldaten waren da, ihre Helme und Hellebarden blitzten. Ein wildes Geschrei erhob sich, aus der Burg wurde zurückgeschossen. Die Luft war schwer vom Pulverdampf, und die Trommeln schwiegen nicht einen Moment. Männer brachen blutend zusammen, brüllten, röchelten. Frauen kamen gekrochen, zogen sie aus dem Kampfgetümmel und versorgten ihre Wunden.
    Jetzt griffen auch die Pikeniere ins Geschehen ein, rückten in Igelformation heran und machten den Weg frei für die große Kanone, die die Holländer heranschoben. Sie richteten sie aus und feuerten. Der Einschlag war markerschütternd, ein Raunen ging durch die Zuschauer, Katharina schrie auf und stolperte rückwärts.
    «Fuck!» Sie hatte den Mann, der hinter ihr stand, zum Straucheln gebracht.

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