Die Burg
Kollegen war es mittlerweile gelungen, die meisten hinter die Absperrung zurückzudrängen, wo sie jetzt anfingen, die Personalien aufzunehmen. Und immer noch strömten Schaulustige heran, Gaffer, die überall im Weg standen, aber es wurde gerade eine weiträumigere Absperrung aufgebaut.
Auf dem Synagogenplatz starteten und landeten die Rettungshubschrauber. Toppe zog die Schultern hoch, als jetzt der «Life Liner» aus Nimwegen abhob.
Als der Lärm abebbte, hörte er van Appeldorns wütende Stimme: «Ich bringe meine Frau jetzt nach Hause! Ist das klar? Sie können mir gar nichts vorschreiben!»
«Und ob ich das kann!» Der Notarzt, der sich vor ihm aufgebaut hatte, brüllte in derselben Lautstärke zurück. «Ihre Frau wird jetzt unverzüglich ins Krankenhaus gebracht, um die Schwangerschaft zu überprüfen. Haben Sie mich verstanden?»
Toppe hielt sich zurück, Norbert wusste selbst, dass er im Unrecht war.
Von irgendwoher tauchte Jupp Ackermann auf, den Kopf dick bandagiert. «Halb so wild», meinte er leichthin. «Hab bloß ’n Holzsplitter abgekriegt.» Aber er war doch ein bisschen blass um die Nase.
«Wo ist Astrid?», wollte er wissen.
«Ich habe sie mit der Kleinen nach Hause geschickt», antwortete Toppe leise.
«Hätt’ ich auch gemacht, Helmut, is’ doch ganz normal. Weißt du, wo Peter steckt? Den hab ich doch vorhin noch gesehen.»
Peter Cox war der Aktenführer im Kommissariat.
«Der koordiniert die Dokumentation im Einsatzleitwagen.»
«Kacke, muss ich mir jemand anders suchen. Ich wollt’ nämlich in ’t T3-Zelt, dat mit den Leichtverletzten, die aufschreiben un’ schon ma’ gucken, ob einer wat gesehen hat.»
Er schob seine Brille hoch und rieb sich die Augen. «Man kann et irgendwie gar nich’ fassen … Ah, da kommt ja der Doc! Has’ du den anrollen lassen? Ich mein, ich weiß, dat der immer vor Ort sein will, wenn wir ’n Toten haben, aber bei der Geschichte hier … ach, egal.» Damit tippte er sich kurz gegen den Verband, nickte dem Arzt zu und lief den Berg hinunter.
Arend Bonhoeffer war der Pathologe aus Emmerich, der für das KK11 zuständig war, außerdem Toppes ältester Freund und Mitbewohner in der Wohngemeinschaft. Er machte nicht viele Worte. «Habt ihr eine Anlaufstelle für die Angehörigen eingerichtet?»
«Im Kreishaus, die Zentrale leitet die Leute weiter.»
Bonhoeffer nickte und drückte Toppes Schulter. «Tote?»
«Drei – bis jetzt.» Toppe wies ihm den Weg zum Innenhof.
«Helmut?» Es war van Appeldorn, der sich offenbar wieder beruhigt hatte und einen schwarzen Koffer brachte. «Gehört van Gemmern», erklärte er, «der kommt gleich mit dem Rest seiner Ausrüstung. Hast du schon in Düsseldorf angerufen?»
«Das Sprengstoffteam kommt mit dem Hubschrauber, aber sie haben zwei, drei Stunden Vorlauf.» Toppe schaute auf die Uhr. «Werden wohl so gegen sechs hier sein.»
«Bombe?» Klaus van Gemmern, der Mann von der Klever Spurensicherung, sprach selten mehr als das Nötigste.
«Danach sieht es aus», seufzte Toppe.
«Und die Jungs sind unterwegs, höre ich. Okay.»
Dann umrundete er langsam die Explosionsstelle, ging hier und da in die Hocke, um irgendetwas genauer in Augenschein zu nehmen, hielt sich aber die ganze Zeit sorgsam vom eigentlichen Zentrum fern. Nachdem er etliche Fotos geschossen hatte, begann er damit, ein Raster auszulegen und Markierungen anzubringen.
«Ihr müsst weiträumiger absperren», brummte er, ohne aufzusehen.
«Wir sind schon dabei», erwiderte van Appeldorn.
Van Gemmern schnaubte. «Die zweite Reihe da unten? Bringt nichts! Weiträumig heißt bis hoch zur Kirche und runter zum Fischmarkt – mindestens.»
«Ich kümmere mich darum», sagte Toppe und schaute van Appeldorn an. «Ist Ulli im Krankenhaus?»
«Es geht ihr gut», entgegnete der knapp. «Soll ich das mit der Soko übernehmen?»
«Sicher.»
«Gut, dann fahre ich jetzt ins Präsidium und rufe in Krefeld an. Wie viele Leute willst du?»
Toppe strich sich das Haar aus dem Gesicht. «Fünfzehn fürs Erste, würde ich sagen. Und leiere die Pressekonferenz an, sag dem Staatsanwalt Bescheid und dem Landrat, 20 Uhr im Besprechungsraum. Im Anschluss erste Sitzung der Soko, bis dahin müssten die Krefelder da sein. Und mach …»
«… Quartier, ich weiß.»
Er würde im Präsidium jeden Raum, der mit einem Telefon und einem PC ausgestattet war, frei räumen müssen, damit die Sonderkommission in den nächsten Tagen vernünftig arbeiten konnte.
«Und
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