Die Burg
Lagerleben teilnehme, und haben mich in dieses Kostüm gesteckt. Ich muss sagen, es macht mir Spaß.»
Katharina machte große Augen. «Können wir das nicht auch, Mama?»
«Nein, ich glaube nicht.»
«Aber kommt doch heute Abend zum Lagerfeuer», schlug Ruth aufgeräumt vor. «Das ist immer sehr romantisch.»
«Ich weiß nicht», zögerte Astrid, «wir gehören doch nicht dazu.»
«Ach was, es sind immer Gäste da, Toni kommt auch. Es ist doch höchste Zeit, dass wir einmal wieder Spaß miteinander haben. Geht es Helmut gut?»
Aber für einen wirklich romantischen Abend war es einfach zu kalt. Sie hatten einen für den Niederrhein ungewöhnlich langen Winter gehabt, bis in den März hinein Schnee, und vor vierzehn Tagen noch hatte es Nachtfrost gegeben. Aber wenigstens war es heute Abend trocken. Den Leuten von der Militia schien die Kälte nichts auszumachen, sie scharten sich um ein großes Lagerfeuer, die Frauen hatten sich wollene Tücher oder grobgewebte Decken um die Schultern gelegt, die Männer ihre Jacken zugeknöpft. Sie saßen auf Strohballen oder auf dem Boden, redeten, aßen und tranken Bier aus Zinnbechern und Humpen aus dickem Leder.
In unregelmäßigen Abständen steckten zwei Meter lange Eisenstangen mit Drahtkörben am oberen Ende in der Erde, in denen Holzscheite brannten. Sie waren außer dem Feuer die einzige Lichtquelle im Lager. Es roch nach Fluss, Rauch, stark gewürztem Essen und ungewaschenen Körpern.
Katharina zwischen sich an der Hand, kamen Toppe und Astrid nur zögernd näher, aber Ruth entdeckte sie und stellte die Holzschale beiseite, aus der sie gegessen hatte. «Da seid ihr ja! Ich hab den anderen schon erzählt, dass ihr kommt.»
Der Mann, der neben ihr saß, erhob sich und kam ihnen entgegen, er war groß und knochig und hatte eine sehr lange Nase. «Welcome», sagte er. «I’m John. Would you like to eat with us?»
Toppe streckte ihm die Hand entgegen. «That’s very kind but no, thank you. A beer would be nice, though. I’m Helmut and this is my family.»
Man holte zwei weitere Strohballen ans Feuer, und sie setzten sich neben Ruth, Toni kam mit zwei irdenen Krügen voll Bier. «Nicht dass ihr denkt, das wäre selbst gebraut, das ist gutes deutsches Altbier, von Sponsoren für dieses Camp gespendet.»
Toppe sah sich kopfschüttelnd um, nichts wies darauf hin, dass sie sich im einundzwanzigsten Jahrhundert befanden, keine Armbanduhren, keine modernen Brillengestelle, nicht einmal Reißverschlüsse an der Kleidung.
«Das ist unglaublich», raunte er.
Katharina hatte es die Sprache verschlagen, sie drängte sich eng an Astrid und schaute sich mit großen Augen um.
«Ja», sagte Toni, «so ein Camp ist schon faszinierend.»
Jemand hatte ein Bodhrum geholt, zwei Männer zogen Tin Whistles aus ihren Taschen, und man fing an zu musizieren.
Toni grinste. «Und wenn Gäste da sind, legen sie sich natürlich besonders ins Zeug.»
«Ich habe gelesen, dass es sich um eine Miliz handelt und dass es um den englischen Bürgerkrieg gehen soll», meinte Toppe.
«Das stimmt auch», antwortete Ruth. «Die Männer sind hartgesottene Soldaten, die täglich exerzieren, und ein paarmal im Jahr treffen sie sich mit anderen historischen Gruppen, den Cromwell-Anhängern, und stellen verschiedene Schlachten nach. Aber das Camp gehört dazu. Die Soldaten hatten ihre Familien dabei, Frauen, die kochten, die die Verwundeten versorgten.»
«Und sie schießen tatsächlich mit echtem Schwarzpulver?»
«O ja, alles ist so echt wie irgend möglich. Sie haben hier sogar die historische Kanone von der Schlacht bei Powick dabei, die normalerweise im Museum in Worcester steht.»
«Irre», meinte Astrid. «Ein ganz schön aufwendiges Hobby.»
Toni erzählte von den Hunderten von Gruppen, die in England die verschiedensten Perioden der englischen Geschichte nachstellten, kriegerische Auseinandersetzungen waren natürlich besonders beliebt, aber es gab auch Leute, die zum Beispiel Vergnügen daran fanden, die Zeit der Druiden wieder aufleben zu lassen. Und alles musste so echt und nah an der geschichtlichen Wirklichkeit wie möglich sein.
«Was übrigens hier einige Männer besonders begrüßen. Im 17. Jahrhundert trank das gemeine Volk fast ausschließlich Bier, weil das Wasser in den Städten meist verseucht war. Und ein paar von den jungen Burschen hier nehmen es mit der Authentizität so genau, dass sie sich für die Dauer eines Camps nicht waschen.»
Viele Handwerker in England
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