Die Capitana - Roman
Lippen presst, während er ihr die Kleider runterreißt und sie leckt und trinkt und ein ums andere Mal in sie stößt, und sie, die aufgehört hat, sich zu wehren, sich ihm hingibt, stöhnt, genießt.
Aber so war es nicht, nichts geschah, denn Jan Wells Hand, die auch Ruvins Hand ist, hat Mika nicht aufgehalten, sie nicht daran gehindert, die Treppe runterzulaufen. Sie hat sie entkommen lassen. Ein großer Fehler.
Das Leben hat sie ihm nun noch einmal zugeführt.
Das Leben und Mikas sture konterrevolutionäre Ideen, zuerst bei der Gruppe Wedding, dann beim POUM , Andrei Kozlov hat die Pflicht, ihr das auszutreiben. Nicht nur aus persönlichen Gründen, das ist seine Arbeit, rechtfertigt er sich.
Von seiner Idee, Mika für die Sache einzuspannen, die er letztens am Abend so euphorisch geboren hatte, nahm er schon am nächsten Tag Abstand. Zu riskant. Nur in Gedanken hatte Ruvin durchgespielt, wie er Mika notfalls vor Orlov weißwaschen würde, er war der schärfste Kopf der GPU in Spanien und zuständig für Säuberungsaktionen unter den Dissidenten.
Das Schlimmste sind nicht die Fragen, auch nicht die absurden Anklagen, noch nicht einmal, dass sie von den Agenten so schlecht behandelt wird, das Schlimmste ist, dass dieser abstoßende Mensch sie fotografiert, und die Augen von Jan Well, diese geilen, widerlichen Augen, die sie beschmutzen, stumm über sie fahren wie in jener Nacht in Berlin.
In der Tscheka geht inzwischen alles seinen Gang: Verhör, Fotografieren, Besuch von Jan Well, der sich jetzt Andrei Kozlov nennt, in der Zelle.
Was machst du hier, fragt Mika ihn, als sie allein sind, warum fotografieren sie mich, was wollen sie von mir.
Jan sieht sie nur an, mit diesen Augen wie Hände, Zunge, Sex, und murmelt etwas, dass sie bei der Ermittlung kooperativ sein soll.
Die Verhöre werden von zwei jungen Männern durchgeführt, von denen einer dümmer ist als der andere. Die Fragen sind fast immer dieselben: ob sie in Deutschland gelebt hat, als der Nationalsozialismus an die Macht kam, ob sie Agentin der Gestapo ist, ob sie glaubt, dass man der republikanischen Regierung helfen muss, den Krieg zu gewinnen – ausgerechnet sie fragt man das, die vom ersten Tag an an der Front war –, ob sie mit der Politik der Regierung einverstanden, ob sie Trotzkistin ist.
Das alles fragen sie, als ob es leicht zu beantworten wäre, die ausführliche Darlegung, die dazu notwendig wäre, würden diese Polizisten doch gar nicht verstehen. Mika sagt einfach: ja. Für den, der sie verhört, für viele andere ist ein Kommunist, der nicht in allem mit Stalin einverstanden ist, selbstverständlich ein Trotzkist, ein Konterrevolutionär, Feind des Volkes. Wie denkt sie über Trotzki?, hakte der Polizist gestern nach. Ich hege große Bewunderung für ihn. Ist es die Sache wert, ihnen die feinen Unterschiede darzulegen? Wohl kaum.
Noch mehr Fragen, immer dümmere: ob sie glaubt, dass die Leute vom POUM die einzigen revolutionären Arbeiter sind, wie sie an der UdSSR nur Zweifel haben kann, dieses Land ist das demokratischste der Welt, sein Wahlrecht gibt so viele Garantien wie nirgendwo sonst. Das ist der Gipfel!
Wogegen verstößt sie, wenn sie diese oder jene Meinung zur republikanischen Regierung, zu Stalin oder Trotzki hat?, fragt Mika ungehalten.
Ich möchte es einfach nur wissen, antwortet das Jüngelchen. Und fährt wie eine Aufziehpuppe fort:
»Welcher politischen Ideologie hängen Sie an?«
»Ich bin Marxistin.«
»Welcher Art Marxismus?«
»Es gibt nur einen Marxismus.«
Sie bemüht sich, nicht die Ruhe zu verlieren, nicht spöttisch zu werden, aber als sie ankommen mit: was bedeutet »Dumas«, und was »Salgari«, und als sie ihr dann auch noch den Zettel zeigen, den sie damals bei Ramírez zu Hause in ihrer Zerstreuung vollgekritzelt hat, haben Sie das geschrieben, Mika?, erkennen Sie Ihre Schrift?, bricht aus Mika schallendes Gelächter hervor. Ein verschlüsselter Text? Eine Geländezeichnung?, fragt er sie. Spinnen die?, denkt sie, oder sind sie wirklich so beschränkt?, sagt aber nichts. Das Lachen quillt aus ihr heraus, unkontrollierbar wie Schaum.
Der Mann muss denken, dass sie über ihn lacht, was auch stimmt, aber sie lacht auch über diese absurde Situation, Mika wegen Hochverrats verdächtigt aufgrund ihrer Lektüreempfehlungen für die Front.
So einen grandiosen Schwachsinn glauben sie doch selbst nicht, das haben sie erfunden, irgendeinen Vorwand brauchen sie, um sie wegen ihrer Verbindung zum
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