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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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ihm doch an, dass er sich nur noch für diese Frau interessiert, gerade zweimal haben sie sich in dieser ganzen Zeit gesehen, und nur, weil sie darauf bestanden hat, beschwert sie sich. Andrei ist wie abwesend, sogar wenn sie zusammen im Bett sind, liegt es an der Capitana?, und ohne seine Antwort abzuwarten: Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dir den Hinweis nicht gegeben.
    Ethelvina hat nicht unrecht, aber Ruvin wird das nicht zugeben.
    Sie soll nicht so dummes Zeug reden und lieber mit ihm schlafen, und um sie zum Schweigen zu bringen, um diese Wahrheit zu verdrängen, rettet er sich ohne weitere Worte in diesen warmen Körper, der offen ist für seine Lust. Sie will mehr, immer mehr, und obwohl es nicht Mika ist, die ihn begehrt, bildet Ruvin es sich ein und gibt ihr, was sie will, alles ist für sie, flüstert er ihr erregt zu, und als er zum Orgasmus kommt, möchte er gleich danach wegdösen, aber ihre schrille Stimme reißt ihn aus seiner Wohligkeit.
    Warum musst du jetzt reden?, fährt er sie an und steht auf, kannst du nicht einmal ruhig sein?, schlüpft hastig in seine Kleider: gehen soll sie, auf der Stelle, er will allein sein, er zerrt an den Laken, unter denen sie Schutz sucht, wirft ihr ihre Kleider hin.
    »Geh.«
    In Ethelvinas Augen ist ein sonderbares Funkeln, als sie, schon an der Tür, vor Ruvin stehen bleibt.
    Er weiß, dass er sie schlecht behandelt hat, allzu grob zu ihr war, und will sie mit einer zärtlichen Geste besänftigen, vergeblich. Was soll’s, wenn sie beleidigt abzieht, dann kommt sie vielleicht nicht wieder.
    »Schöne Grüße an die Capitana. Du schläfst mit ihr, nicht wahr?«
    Er rast, Ethelvina macht ihn rasend.
    »Ich will dich nie wieder sehen. Raus«, brüllt er. Armer Ramírez, ich bemitleide ihn.
    Als Mika aufwacht, ist Jan Well bei ihr in der Zelle und sieht sie mit ekelhafter Zärtlichkeit an. Sie fährt ihn an:
    »Was ist los?«
    »Nichts. Ich bin hergekommen, um dich zu sehen.«
    »Wann lassen sie mich frei?«
    »Wenn du gestehst.«
    »Ich habe nichts zu gestehen, das weißt du ganz genau.«
    »Hör mir zu, Mika, sei nicht dumm.«
    Mit gemurmelten Worten, fast beschwörend erklärt Jan Well ihr, wie sehr sie falsch liegt.
    Heute wird sie nichts sagen, sie wird ihn reden lassen, mal sehen, wie weit er geht, welche Absicht er verfolgt. Er ist von dem, was er sagt, wirklich überzeugt.
    Es ist schon verrückt, sie würde ihre Ziele genauso formulieren wie er: eine Gesellschaft, in der alle dieselben Rechte haben. Wärter und Gefangene haben denselben Traum, und beide glauben sie an den Marxismus als Zukunft, aber während sie überzeugt ist, dass diese zerstörerische Maschinerie, denn nichts anderes ist der Stalinismus, die Revolution erstickt, ist für ihn die absolute Unterwerfung unter die Kommunistische Partei und die Interessen der Sowjetunion das Entscheidende, und das ganze harte Durchgreifen, Mika, ist für den Sieg der Revolution.
    Ihr Schweigen ermuntert ihn zum Reden, ja, er möchte sie dazu bringen, dass sie sich an der Zerstörung des Feindes beteiligt, also alle die verrät, die mit ihr gekämpft haben. Um sie auf seine Seite zu ziehen, behauptet er: Mika weiß doch gar nicht, wem sie in Wirklichkeit dient, was das für Schurken sind.
    »Denk mal nach, was für ein himmelweiter Unterschied besteht zwischen uns, die wir an vorderster Front für die Interessen des Volks kämpfen, und diesen Schergen der Gestapo.«
    So viel Dreistigkeit verstört sie, aber es gelingt ihr, ruhig zu bleiben, nichts zu sagen, sich zurückzuhalten und ihn nicht zu beschimpfen und zu schlagen, bis Jan Well diesen einen Satz sagt, der sie so erzürnt, jetzt darf sie doch wohl, jetzt, da ihr großartiger Göttergatte nicht mehr da ist, der sie zum Kochen bringt, da zerspringt diese ganze Mauer der Gefasstheit in tausend Stücke, und sie explodiert: er soll gehen, verschwinden, sie in Frieden lassen.
    Er wirkt gar nicht vor den Kopf gestoßen, er versteht sie, das ist alles sehr neu, sie reden ein andermal weiter, aber sie soll sich beeilen, Mika, allzu viel Zeit bleibt dir nicht mehr.
    Und außer Acht lassend, was man vor dem Geheimdienst sagen oder sich besser verkneifen soll: Niemals, hast du verstanden, werde ich für Stalin und seine Gefolgsleute arbeiten, diesem blinden Abschaum, der seine Macht missbraucht und die Revolution niederwalzt.

31. Kapitel
Madrid, Juni 1937
    Die Unterredung der neuen Regierung mit dem Oberkommando hat Juan Ojeda sehr besorgt gestimmt. Die

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