Die Capitana - Roman
POUM festnehmen zu können. Aber warum sie? Sie sagt ihnen nichts von ihrem Gespräch mit Ramírez, zuerst muss sie verstehen, was hier vorgeht.
Wie nur ist dieses Zettelchen in die Tscheka gelangt? Von Ramírez kann es nicht kommen, er ist Sozialist und erachtet – das hat er bei ihrem letzten Besuch in Puerta de Hierro noch einmal gesagt – die Verfolgung des POUM im Zusammenhang mit den Entwicklungen in Moskau als verabscheuenswürdig. Ramírez hat vor Mika Respekt, er bewundert sie, das kann sie, ohne zu übertreiben, sagen.
Dass Jan Well hier ist, verwirrt sie. Ihr ist klar, dass dieser suspekte Fotograf und die Polizisten auf Anweisung dieses Andrei Kozlov handeln, aber ihre Fragen sind zu einfältig, als dass sie von ihm kommen könnten, der ein Schwein ist, aber intelligent. Sie scheinen sich an das Raster zu halten, das auf jeden Festgenommenen angewendet wird.
Und wenn Jan Well hinter ihrer Festnahme steht, wie viel zählt dann der POUM und wie viel jener gezielte und anscheinend immer noch nicht verschmerzte Kniestoß? Die Demütigung muss groß für ihn gewesen sein. Er hat kein Wort zu Berlin gesagt, als würde er sich an den Vorfall nicht mehr erinnern.
Das Bild dieser jungen Frau, Ethelvina, schiebt sich ihr kurz vor die Augen, aber warum sollte sie das tun, und wem hat sie diesen verunglückten »Beweis« in die Hand gedrückt … Jan Well. Ist das möglich? Ein Schauder durchfährt sie. Hätte sie sich so etwas nicht denken können? Als Jan Well war er Kamerad bei den linken Oppositionellen, einer von denen, die die massenhafte Rückkehr der Oppositionellen zur Kommunistischen Partei befördert haben, und wer weiß, welche Namen und Rollen diese Person noch verkörpert: Kein Zweifel, er ist ein Agent der GPU . Noch dazu einer, der es persönlich auf sie abgesehen hat.
Was sie über die Entwicklungen in Moskau erfahren hat, aus einem Brief von Alfred und von den Kameraden in Paris, ist schauderhaft. Ob sie so etwas in Spanien auch vorhaben? Wird Mika ein Opfer der Säuberungen in Spanien werden?
Das kann nicht sein, denkt Mika am nächsten Tag, dann wäre Jan nicht gestern gekommen, um sie zu überzeugen, denn wie sonst soll man seinen aberwitzigen Auftritt verstehen?
Well spricht normalerweise nie mit ihr, entsprechend überrascht war sie, als er sie hinter vorgehaltener Hand gefragt hat, ob es denn stimmt, was sie dem Agenten gestanden hat: dass sie diesen tobenden Köter, diesen Trotzki, bewundert. Oder hat sie das nur gesagt, um ihn zu ärgern?
»Je mehr er verfolgt wird, desto mehr wächst meine Bewunderung für ihn.«
Wollte sie denn gar nicht zur Besinnung kommen? Sie sollte ihm zuhören, die Abgeschiedenheit nutzen, um nachzudenken. Und dann lud er diesen ganzen Schwachsinn über den Kameraden Stalin und die Revolution auf ihr ab. Wollte er sie etwa indoktrinieren? Sie konnte es nicht glauben. Mika hörte ihm ruhig zu, bis er behaupten wollte, dass jeder, der gegen Stalin ist, für Hitler wäre, da wurde es ihr zu viel.
»Hast du mich einsperren lassen, um mich ins rechte Gleis zu bringen?« Sie fand das alles andere als lustig, trotzdem musste sie, um irgendwie ihre Anspannung loszuwerden, laut loslachen.
Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, wäre es besser gewesen, ihn nicht zu provozieren, so wenig Jan Wells Identität greifbar ist, so sehr weiß sie, dass sie sich vor ihm in Acht nehmen muss. Und wahnsinnig ist er auch. Ziemlich wahnsinnig. Das sieht sie in seinen funkelnden Augen, und in diesem anderen, dem Kameraauge von Oleg Alexandrovich.
»Das wird dir noch leid tun«, sagte Jan Well und ging.
Mika war seit mehr als einem Monat verschwunden. Ein Nachbar hatte gesehen, wie ein Polizist sie abgeführt hatte. Amparo sagte daraufhin Quique Bescheid, und diesem Juan Andrade und den anderen Genossen. Oberst Ojeda hatte persönlich nachgeforscht, bei seinen Leuten, bei denen auch Mika gekämpft hatte, ebenso Oberst Ramírez, der Befehlshaber der Brigade, aber niemand wusste, wo sie war.
Rechtsanwalt Benito Pabón, ein Anhänger des POUM , schrieb einen Brief an den Minister: In Spanien und im Ausland besteht Sorge über das Verschwinden der französischen Staatsbürgerin Michèlle Etchebéhère, Capitana der republikanischen Streitkräfte, die vor der Tür ihrer Wohnung von einem Polizeiagenten abgeführt wurde, man möge ihm mitteilen, wo sie festgehalten wird und wie ihre rechtliche Situation ist.
Er soll ihr die Wahrheit sagen, Andrei, bettelt Ethelvina, sie merkt
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