Die Capitana - Roman
Stimme sie bis aufs Blut reizt, oder sein Armer-Schwarzer-Kater-Blick, wenn sie ihn zurückweist. Oder wenn er gähnt oder ihr sein falsches Lächeln schenkt.
Nach dem letzten Treffen mit Andrei Kozlov hat Ethelvina sich vorgenommen, liebevoller mit Augusto umzugehen, nett zu ihm zu sein, sich mit ihm zu versöhnen. Und Andrei nur als das zu sehen, was er ist: eine Affäre, wie sie sich immer wieder vorsagt und sich zu überzeugen bemüht.
Aber das Bild von Andrei, seine kundigen Hände, seine Stimme, die sanfte Wildheit, mit der er sie liebt, drängen sich ihr immer wieder auf, und dann erträgt Ethelvina es nicht, mit Augusto zusammen zu sein und sich als diejenige zu geben, die sie nicht ist. Dieses ahnungslose kleine Mädchen gibt es nicht mehr, sie ist jetzt eine ganze Frau. Und eine Frau will einen Mann und kein Schoßhündchen.
Doch sie kann auch nicht mit Andrei zusammen sein, denn der will sich, so groß ihre Leidenschaft auch ist, nicht festlegen. Ethelvina gefällt ihm, sehr sogar, wäre es anders, würde er nicht diese Lust empfinden, wenn sie sich lieben, aber sie spürt eine Grenze, eine Barriere, die er setzt und über die er Ethelvina nicht lässt. Die Berührungen, das Begehren, der Sex schaffen eine starke Verbindung zwischen ihnen, aber das reicht nicht, sie muss einen anderen Weg finden, um ihn zu erobern. Sie will seine Gefährtin sein, seine Komplizin, seine Frau. Sie will ihren Platz haben im Leben, an Andrei Kozlovs Seite.
An diesem Nachmittag findet sie beim Aufräumen das erste Glied einer Kette, mit der sie Andrei an sie fesseln wird: Das Blatt, das die Capitana Etchebéhère bekritzelt hat, während sie mit Augusto sprach, damals bei dem Abendessen bei ihnen zu Hause. Ethelvina hatte es versteckt, ohne rechte Absicht, und behauptete einfach, das mit Wein befleckte Papier weggeworfen zu haben, und Augusto hakte auch nicht nach.
Andrei wird sich die Hände reiben, frohlockt Ethelvina. Das Papier enthält verschlüsselte Namen und irgendwelche Skizzen ... fast sieht es aus wie eine dieser Geländezeichnungen, die Augusto immer anfertigt. Wenn sie doch nur eine zur Hand hätte, er zeichnet sie und wirft sie anschließend weg, sie sucht überall, wird aber nicht fündig. Sie weiß ganz genau, dass Mika Etchebéhère und Augusto über Bücher gesprochen haben, Lesestoff für die Front, aber das braucht sie ihm ja nicht auf die Nase zu binden.
»Wo ist die Capitana Etchebéhère eigentlich?«, fragt sie Augusto, während sie an dem sorgfältig gedeckten Tisch zu Abend essen.
»Haben wir uns nicht darauf geeinigt, dass wir nicht mehr über sie sprechen?«, erwidert Augusto nervös.
Sie hat ihn das nur gefragt, um das Gespräch von ihnen beiden und ihrer Beziehung abzulenken, um auf andere Gedanken zu kommen – Augusto schafft es nicht, zu lächeln, aber die Erleichterung ist ihm anzusehen –, sie weiß, dass er sie sehr schätzt, und nachdem Augusto ihr etwas mehr über sie erzählt hat, tut sie das auch –, sie gibt zu, damals an dem Abend war sie ein wenig eifersüchtig und hat dumme Dinge gesagt, aber eigentlich sorgt sie sich um die Capitana, schließlich ist sie eine Frau wie sie … sie hofft nur, dass man sie nicht getötet hat.
»Nein, erst heute habe ich sie in Puerta de Hierro gesehen.« Seine Stimme hat wieder den gewohnten Tonfall. »Sie möchte zurück an die Front, aber … das ist jetzt nicht mehr so einfach. Wir haben länger geredet.«
»Zum Glück ist sie wohlauf. Erzähl mir mehr.«
Augusto beschreitet erleichtert diese Brücke der Versöhnung, die Ethelvina ihm baut, in Form eines Gesprächs über irgendetwas, das sie zurückführt in die Zeiten, als sie sich noch verstanden haben, zärtlich zueinander waren, und er lässt sich fallen in diese behagliche Stimmung, während der Kamin brennt und seine Frau sich auf dem Sofa an ihn schmiegt, und so redet er, beantwortet ihre Fragen, bis die Müdigkeit ihn besiegt. Wollen wir schlafen gehen, meine Liebste?
Andrei Kozlov, dem sowjetischen Berater, reichte ein Blick auf dieses angebliche geheime Dokument, um zu erkennen, dass es sich bei den Namen Dumas, Verne, Salgari um Schriftsteller handelte, dass die Striche keineswegs irgendeine Geländezeichnung darstellten, sondern einfaches Bleistiftgekritzel waren. Aber es war ein Anfang, und die Herren spanischen Polizisten, mit denen sie zusammenarbeiteten, waren ziemlich beschränkt.
Er glaubte auch kein Wort von der absurden Geschichte, mit der Ethelvina ihm weismachen
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