Die Capitana - Roman
Húmera, Imón, Sigüenza, Moncloa, die Namen der Orte, an denen sie gekämpft hat. Erst mal nur lose Worte. Die Chata, Juan Laborda, Corneta, der Maño, Antonio Guerrero, der Marseiller, Emma, Ramón, Valerio, die Namen der Menschen, mit denen sie gekämpft hat. Ihre Tage im Krieg in eine Form bringen, sie anderen erzählen, Zeugnis ablegen von der Geschichte.
Aber auch eine Planke, an der sie sich festklammern kann, mitten in diesem finsteren Meer, seiner Abwesenheit. Mit jedem Wort kommt ihr Herz mehr zur Ruhe.
Du hast unzählige Aufzeichnungen verfasst, über vierzig Jahre lang. Einige sind in meinem Besitz, andere habe ich in Paris gesehen und dokumentiert, damit sie mir nicht entfallen. Ich habe alles auf meinem Schreibtisch ausgebreitet liegen. Manuskripte, geschrieben in verschiedenfarbigen Tinten oder auf Maschine, auf ein kleines loses Blatt aus dickem Papier, ein dünnes Durchschlagpapier von was auch immer für einem Original, deine Notizen auf den leeren Seiten eines deutschen Taschenkalenders aus dem Jahr 1935, in einem Heft mit schwarzem Umschlag, einem Büchlein mit weichen Deckeln aus orangefarbenem Plastik, am Rand eines Artikels in der Zeitschrift Sur aus dem Jahr 1946, den du mit deinem Namen unterzeichnet und in dem du über den Krieg geschrieben hast, und neben einem Artikel für eine brasilianische Zeitung, den du unter Pseudonym verfasst hast und der mit dem Krieg in Spanien nichts zu tun hat.
Aufzeichnungen über Aufzeichnungen, dein Leben lang hast du deine Gedanken zu Papier gebracht, bis du schließlich im Jahr 1975 in Frankreich deine Kriegserinnerungen herausgebracht hast: Ma guerre d’Espagne à moi .
Die Sonne ist vollständig untergegangen. Mika legt den Füllhalter weg, klappt den Kalender zu. Man erwartet sie beim Abendessen. Bevor sie geht, hebt sie das malvenrote Kleid vom Boden auf, legt es sorgfältig zusammen und verstaut es unten in der Tasche.
Die Front war mir verwehrt, ich konnte nichts anderes tun außer Lesen und ein paar Verabredungen treffen, trotzdem verließ ich Madrid erst, als die Nationalen am 28. März 1939 die Stadt übernahmen. Erst dann beantragte ich meinen französischen Pass, und im September konnte ich die Pyrenäen überqueren. Auf Anraten des Konsuls nahm ich nur mit, was ich auf dem Leib trug. Mein Koffer mit den Büchern, die Segeltuchtasche und meine Schreibmaschine kamen im November 1939 in Paris an. Ich hatte keine Gelegenheit, meinen Schmerz auf den Brücken spazieren zu führen, denn ich packte abermals meine Sachen: In Marseille stieg ich aufs Schiff, mit Ziel Buenos Aires.
Meine Freundin Salvadora Botana hatte mich gedrängt, dass ich nicht länger warten soll, und sie behielt recht: Im Juni marschierten die Deutschen in Paris ein. Zu dem Zeitpunkt befand ich mich, eine Jüdin, bereits in Argentinien. Die feuchte Luft in Buenos Aires hüllte mich ein wie ein Tuch, vollkommen unwirklich, nach neun Jahren Abwesenheit war ich nicht mehr daran gewöhnt.
33. Kapitel
Paris, 1936
In den langen Monaten im Sanatorium fand Hipólito Gelegenheit, über Aspekte des Lebens nachzudenken, mit denen er sich, immer getrieben, immer eingespannt, nie beschäftigt hatte. Über die Liebe. Das Gleichgewicht. Die Zeit.
Er hat seine Liebe für Mika nie in Zweifel gezogen, aber erst jetzt, da er innehalten und nachdenken kann, erkennt er ihre wahre Größe. Es ist wichtig, das Gleichgewicht zu wahren, und wenn noch so viel los ist, die Politik ist ihre Leidenschaft, aber sie müssen verhindern, dass sie sie auffrisst. Und im Bewusstsein behalten, dass ihre Zeit nicht endlos ist, seine Krankheit führt ihm in unerbittlicher Weise die Macht der Zeit vor Augen.
Darum geht Hipólito an diesem Aprilnachmittag mit den ersten Francs in der Tasche, die man ihm für die Übersetzung vorgeschossen hat, in ein Geschäft, in ein weiteres, er verweilt lange, sieht sich um, vergleicht, bemüht sein Vorstellungsvermögen und entscheidet sich schließlich für ein leichtes, malvenrotes Kleid mit weitem Rock, bezahlt und bittet, es ihm in Seidenpapier einzuschlagen. Es ist das erste Geld, das er seit langem verdient hat, und er ist zufrieden mit sich, dass er sich diesen kleinen Luxus erlaubt.
Ein lästiger Hustenanfall verzerrt sein Gesicht. Als sie sich kennenlernten, in der Zeit von Insurrexit , entwarf Hipólito ein Kleid für sie, und Mika war verzückt. Wieder muss er husten. Sie ließ es aus dem Stoff nähen, den er ihr schenkte, und sie trug es über Jahre. Wie hatte
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