Die Capitana - Roman
Aber niemand widerlegt die bittere Nachricht. Er ist tot. Und sie, nicht eine Träne. Sie geben ihr seine Pistole. Mika wechselt sie von einer Hand in die andere. Wenn Hippo tot ist, will sie auch nicht leben. Ein Schuss, und alles wäre vorbei.
Sie sieht Hippos graue Augen auf sie gerichtet: Du willst dich umbringen, weil der Schmerz zu groß ist, jetzt, mitten im Kampf? Und unsere Prinzipien? Um dein kleines persönliches Schicksal kannst du dich nach der Revolution kümmern, wenn sie dich nicht im Kampf töten. In solchen Zeiten nimmt man sich nicht einfach das Leben.
Niemand hat sie gebeten, niemand mit ihr gerechnet, aber da ist Mika, um sie herum dunkle Nacht, und hält Wache auf der Anhöhe, wie viele andere in der Gegend und vor der Stadt Sigüenza. Ein Schauder durchfährt sie, als sie die feindlichen Stellungen erkennt, immer näher rücken sie heran. Auch die Faschisten türmen Steine auf, aber im Gegensatz zu ihnen haben sie mächtige Maschinengewehre, und sie selbst? Lächerliche Flinten, ein paar Kanonen, nur Schießpulver und Dynamit.
Ja, es geht nicht mehr nur um genügend Kleidung oder Essen, Mika fühlt sich für das Schicksal ihrer Milizionäre verantwortlich.
Meine Milizionäre?, denkt sie überrascht. Wie viel Zeit ist vergangen seit ihrem anfänglichen Hadern mit diesen Männern, die so wenig gemeinsam haben mit den kämpferischen Interna-tionalisten, an die Mika gewöhnt ist, die so weit entfernt sind von dem, was sie empfindet, von dem geballten, leuchtenden Glück Hipólitos im Krieg. Zwei, drei Monate? Drei Jahrhunderte. Die Zeit zählt anders im Krieg.
Sie schickt ihm ein Lächeln: War es das, Hippo, was mir passieren musste?
Paris, März 2007 – Buenos Aires, Mai 2011
Nachwort und Dank
Dieses Buch nahm seinen Anfang vor vielen Jahren, an einem Sonntag im Oktober 1986, als der Schriftsteller Juan José Hernández mir von einer Argentinierin erzählte, die im Spanischen Bürgerkrieg Truppen befehligt hatte. Ich ließ mich von Juan Josés getragener Stimme und der lebendigen Erzählung mitreißen, die Figuren aus dieser faszinierenden Welt, die ich anders als er nicht kennengelernt hatte, verbanden sich bestens mit denen seiner eigenen Bücher oder jenen, die er las. Ist Mika eine Figur von dir oder von jemand anderem?, fragte ich ihn. Mika gibt es wirklich, sie lebt noch, in Paris. Er und sein Freund Pepe Bianco, einer der tragenden Pfeiler der legendären Zeitschrift Sur , hatten sie mehrmals besucht. Eine großartige, außergewöhnliche Frau.
Ich konnte nicht ahnen, dass diese Geschichte neben meinem Leben herlaufen sollte wie ein Fluss, zeitweilig unterirdisch, dann wieder an die Oberfläche tretend. Ich stürzte mich in sie hinein, dann wieder nahm ich Abstand von der Idee, sie zu schreiben, bis wir endlich in diesem Roman zusammenfanden.
Ich sage bewusst Roman, obwohl die Geschichte sich auf historische Dokumente stützt, denn die Prosa bedarf der Auswahl von bestimmten Szenen und Figuren.
Die Kapitel über den Krieg folgen Schlacht für Schlacht möglichst getreu Mikas Zeugnissen und anderen Büchern, die ich zurate gezogen habe. Ich habe mich entschieden, den Krieg aus der Perspektive des POUM zu erzählen, denn ihm gehörte meine Figur an. (Mittlerweile könnte ich, ohne zu übertreiben, sagen, auch ich gehöre dem POUM an, aber das war nicht mein Ausgangspunkt, meine Figuren haben mich dorthin geführt.) Die Kapitel, die Mikas Leben nachzeichnen, stützen sich auf Manuskripte, Briefe und Zeugnisse, die ich fast fünfundzwanzig Jahre lang gesammelt habe. Darauf aufbauend die Vorstellung, wie es gewesen sein könnte, die Gestaltung des Romanstoffs, ohne der realen Geschichte zu widersprechen. Ein hartes Stück Arbeit. Wie sehr musste die Imagination kämpfen, um sich gegenüber den erdrückenden Forderungen der Geschichte zu behaupten. Das ungezügelte Erfinden kann so maßlose Freude bereiten, doch da waren diese Menschen, die wirklich gelebt hatten, die Ereignisse, die sich wirklich zugetragen hatten, unabhängig von allem, was ich schreiben würde oder was schon geschrieben worden war.
Du wirst über Mika schreiben, prophezeite Juan José Hernández 1986, als ich noch weit davon entfernt war, über ein Buch nachzudenken. Und er wiederholte es mit freudiger Gewissheit 1996 in meiner Wohnung in Madrid, als ich ihm von den verschlungenen Wegen meiner Recherchen erzählte. Und im Dezember 2006 bei sich zu Hause in Buenos Aires, nachdem er sich meinen Bericht über meine
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