Die Capitana - Roman
nachdrücklich vor Augen geblieben, genauso wie meine erste Begegnung mit ihr. Conchita war Interviews gewohnt. Sie hatte bei Mika gearbeitet, bei André Breton, später für seine Witwe, und für Marguerite Bonet, die Surrealismus-Expertin.
Bei Breton zu Hause lernten sich in den Sechzigerjahren Ded Dinouart und Mika kennen. Sie unterhielten sich über das komplizierte Verhältnis, das Mika zu ihren Milizionären hatte, und Deds Verhältnis zu den Algeriern, die sie unterstützte. Der Mai ’68, viele Demonstrationen, Treffen mit Freunden, Theaterbesuche. Ded verdanke ich unter anderem die Geschichte über den Journalisten Roger Klein.
Guillermo Núñez lernte ich 1995 kennen, auf meiner ersten Reise, die ich nach Paris unternahm, um Nachforschungen über Mika anzustellen. Mit den Jahren zeigte er mir viele Dinge, Briefe, Fotos, die Schreibmaschine, den berühmten Spazierstock (von Rosmer oder von Trotzki?), aber schon bei diesem ersten Treffen ließ er ein so plastisches Bild von ihr erstehen, dass ich meinte, Mika und Hippo in Patagonien, in Paris, in Deutschland vor Augen zu haben. Mika war für ihn so lebendig, dass ich mich dazu habe hinreißen lassen, ihn zu einer Figur meines Romans zu machen. Sie, die dem jungen Mann von sich erzählt. Das Heft aus Patagonien, Juan Rústico und ihre Aufzeichnungen aus Berlin. Papiere von Mika und Hipólito zu finden wurde mir zur Obsession, und ich gab nicht auf, bis ich sie in Händen hatte.
Das meiste war in den Besitz des Dichters und Trotzkisten Guy Prévan übergegangen, der seit den Sechzigerjahren mit Mika befreundet gewesen war. Ich vermutete das, lange bevor er damit rausrückte. Mehrere Reisen nach Paris und viele Stunden hochinteressanter Unterhaltungen mit Prévan waren nötig, bis er mir alle seine Schätze offenbarte. Ich entlockte sie ihm nach und nach, während ich immer mehr sein Vertrauen gewann. Die Briefe, die Mika und Hipólito sich geschrieben haben, ihre Kommentare zu Büchern, die mich von einer Lektüre zur nächsten brachten, Briefe von Freunden, die Hefte aus Paris, aus Berlin, den deutschen Taschenkalender, die Notizbücher. Zwei Briefe von Alfonsina Storni schenkte Prévan mir, einen Brief und eine Karte von Cortázar. Ich machte mir Notizen, fertigte Fotokopien an. Eines Tages entschloss er sich, mir die Hefte und die Briefe zu leihen, damit ich zu Hause in Madrid in Ruhe damit arbeiten konnte. Seiner Großzügigkeit ist dieser Roman zu verdanken. Ich las und las, entzifferte Handschriften, ordnete, und auf meiner nächsten Reise brachte ich ihm die Papiere zurück. Ich konnte sie jederzeit bei ihm zu Hause einsehen. Aber als ich einige Jahre später eine Einzelheit überprüfen wollte, hatte Guy Prévan sie schon nicht mehr.
Nach so langer Suche, so vielen Reisen befinden sich die Schriftstücke von Mika und Hipólito heute in meiner unmittelbaren Nähe, in Buenos Aires, wo ich wohne, in einer Fachbi-bliothek. Aber weder ich noch sonst jemand kann sie einsehen, denn sie werden seit Jahren »katalogisiert«, man verweigert kategorisch, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, erwähnt sie inzwischen sogar nicht mehr auf der Website der Institution, wo man bis vor einiger Zeit noch mit ihnen prahlte. Ich hoffe, dass diese Missstände, diese Ungerechtigkeit einmal ein Ende haben und die Dokumente, die Mika Etchebéhère Guy Prévan anvertraute, einzusehen sein werden.
Über Prévan kam ich auf Widebaldo Solano. Und über ihn auf Emma Roca.
Im Musée Social fand ich Mikas Briefe an Alfred und Marguerite Rosmer, die mir Einblick in viele Einzelheiten ihres täglichen Lebens verschafften, in ihre Gedankenwelten und die besondere Beziehung, die sie verband. Dort studierte ich auch die Zeitschrift Que faire .
Dank der Briefe, die Mika ihrer Freundin Adriana Pecoroff schrieb, gewann ich ein Bild von dem Garten ihres Hauses in Périgny, von ihrer Beziehung zu den Katzen und dieser für eine Frau ihres Alters so enormen Geisteswachheit. Jacky Noel und Esther Ferrer eröffneten mir interessante Seiten von Mika in ihren letzten Lebensjahren. Seit Mitte der Neunzigerjahre suchte ich eine gewisse Paulette, alle sprachen von ihr, aber niemand wusste Näheres. Ich kannte noch nicht einmal ihren Nachnamen, Neumans, bis sich ein Alfredo Corti bei mir meldete, der mitbekommen hatte, dass ich über Mika schrieb. Er war so etwas wie ein Neffe von Paulette. Leider war sie bereits 2002 gestorben.
Gerardo Mazur, Direktor der Sociedad Hebraica Argentina ,
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