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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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größerer, dann zwei Gestalten, einander umschlingend, eine Frau und jemand Kleineres, ein Kind? Das müssen unsere Leute sein, sage ich zu ihm, und er pfeift. Mir sprengt es fast das Herz, als Quique vom Baum springt.
    Der junge Mann purzelte ihnen direkt vor die Füße. Einen Moment lang nur Schweigen, Ergriffenheit, die lange Umarmung der beiden Brüder, dann auf einmal machte es plumps. Mika und Mateo richteten ihre Waffen auf das Etwas.
    »Nicht schießen. Ich bin’s, Emma« – und sie rannte Mika in die Arme.
    »Was für eine Freude, mein Kind, du bist am Leben, und Quique auch.«
    »Ein Wunder«, wimmerte Pilar und schluchzte, »ich habe die heilige Jungfrau darum gebeten.«
    Soll sie es glauben, wenn es sie glücklich macht, Mika hielt sich da raus. Hatte nicht sogar die Chata, diese tapfere Milizionärin des POUM , als sie in der Kathedrale im Sterben lag, zu ihr gesagt: Ich traue den Pfaffen nicht, aber ich glaube an den Christus von Medinaceli.
    Sie mussten weiter, solange es Nacht war, drängte der Eisenbahner Pablo, Pilars Verlobter, sie waren schon viel zu spät dran. Ja, sie mussten weiter, nur wohin. Sie hatten sich verlaufen. Nach Südosten, sagte Sebastián und drehte sich hilflos um die eigene Achse. Wo war Südosten, wo waren die Faschisten, welcher Weg führte nach Madrid, und welcher in den Tod.
    Die Füße bleischwer, die Hand gebrochen, wenn sie wenigstens etwas zu essen hätten.
    Die Sardinendose, die sie am Morgen auf einem Stein liegen sahen, und gleich darauf die Kartoffel direkt vor ihnen auf dem Weg, mussten eine Falle sein: Die Faschisten hatten sie ihnen hingelegt, um sie zu vergiften, daran hatte Sebastián keinen Zweifel, und die anderen stimmten ihm zu, sie würden das nicht anrühren.
    »Seid ihr euch sicher?«, fragte Mateo.
    »Ganz sicher.«
    Mika und er verputzten beides vor den gierigen Augen ihrer Kameraden. Die Ärmsten. Erst am Abend des dritten Tages bekamen sie einen Bissen in den Mund.
    Der warme Kaffee und diese große Scheibe Brot, die ihnen die Compañeros von der UGT gaben, schmeckten göttlich.
    Gehen, rennen, sich auf den Boden werfen, aufstehen, auf einen Baum klettern, runterspringen, den Marsch wieder aufnehmen. Und dann der Hunger. Der Hunger raubt Kraft. Drei Tage ging es schon so, als wir auf einmal diese Gruppe Leute sahen. Wir versteckten uns. Waren es Faschisten oder welche von uns? Ihr Gespräch über Mütter, Verlobte war wenig aufschlussreich, doch dann kam von einem großen Dünnen das Schlüsselwort: Faschistenschweine.
    Quique stellte sich als Erster vor sie hin, wir folgten ihm. Wir redeten alle gleichzeitig. Aus den mitleidigen Blicken der Milizionäre schloss ich, was wir für einen traurigen Anblick bieten mussten. Schließlich ergriff Mika das Wort und erklärte ihnen mit ruhiger Stimme unsere Lage.
    Sie waren von der Eisenbahnergewerkschaft in Alicante, Sozialisten der UGT , und waren schon auf andere getroffen, die aus der Kathedrale in Sigüenza geflohen waren.
    »Ihr habt nicht zufällig einen großen, stämmigen Compañero gesehen, der eine tief in die Stirn gezogene Kappe trägt«, fragte Mika.
    »Einen Franzosen?«, erkundigten sie sich.
    »Ja.«
    Wenn sie auf mich gestoßen waren, warum dann nicht auch auf ihn, dachte sie wahrscheinlich, aber so war es nicht, der Marseiller war getötet worden, seine Gruppe war dem Feind in die Arme gelaufen, und nur einer war entkommen. Ich drückte fest ihre Hand, um ihr beizustehen.
    Wir erfuhren noch andere schlechte Nachrichten. Der Krieg läuft nicht gut für uns, wir verlieren an fast allen Fronten, aber es haben sich internationale Brigaden angekündigt. Gute, mutige Menschen aus der ganzen Welt, die zu uns kommen, um mit uns zu kämpfen. Zum Glück. Sie kommen wie gerufen. Wir müssen den Krieg gewinnen.
    Die Compañeros aus Alicante brachten uns zu ihrem Quartier, dort bekamen wir zu essen, hat das gutgetan, und ich durfte sogar baden, was für eine Wonne, meine Haut zu fühlen, meine Haare ohne den widerlichen Schlamm.
    »Bist du das, Emma?«, fragte mich Quique und musterte mich von oben bis unten. »Wie hübsch du bist! So eine Überraschung!«
    »Wieso, hast du mich noch nie angesehen?« – Natürlich hatte er das, das wusste ich.
    »Wie denn, wenn du die ganze Zeit unter dieser Schlammkruste versteckt warst, aber jetzt, du gefällst mir richtig. Ich glaube fast, ich liebe dich.«
    Sein ansteckendes Lachen flog durch den Lastwagen, in dem man uns nach Mandayona fuhr. Obwohl uns all die

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