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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Toten bedrückten, all die anderen, die in der Kathedrale geblieben waren, und auch der schlechte Verlauf des Kriegs, Lachen hilft einem immer.
    In Mandayona mussten wir vor einem Militärgericht aussagen, gebildet aus CNT , UGT und PC , das die losgelösten Einheiten überprüft. Es erboste uns, dass wir nach allem, was wir durchgemacht hatten, auch noch Rechenschaft ablegen sollten, und erst recht, als sie Mika eröffneten, dass nur sie nach Madrid zurück könnte. Der Rest von uns müsste hier bleiben. Wir haben geschworen, zusammen zu bleiben, sagte Mateo, einer der Älteren, schon um die vierzig, und ein Goldschatz. Sie wird uns nicht im Stich lassen, sagte ich, ich kenne sie gut.
    »Nein, Compañero, wir gehen alle«, sagte Mika mit fester Stimme, ohne Streitlust und ohne Angst, so als müsste sie es nur sagen, schon würde es so gemacht werden. »Tut uns den Gefallen und schreibt uns einen Passierschein, in dem erklärt wird, dass wir sechs Tage lang in der Kathedrale von Sigüenza eingesperrt waren.«
    Ihnen die Waffen da lassen, niemals, wir sind mit unseren Gewehren geflohen, haben für sie unser Leben aufs Spiel gesetzt. Meinetwegen die Munition, gab Mika nach.
    Da sind wir nun auf dem Lastwagen, der uns alle zusammen, alle neun nach Madrid bringt. Kaum zu glauben, dass die meisten von uns sich vor fünf Tagen noch gar nicht kannten, und jetzt dieser Zusammenhalt, wie ein einziger Körper. Dabei kommen wir noch nicht einmal aus derselben Kolonne. Ich habe sie alle so gern. Alle, aber einen von ihnen noch ein klein wenig mehr.
    Wir fahren nach Madrid hinein, beim Anblick der Puerta de Alcalá schlägt mein Herz schneller. Quique sitzt vor mir, vor aller Augen schlinge ich ihm die Arme um den Hals und flüstere ihm ein Geheimnis ins Ohr: Ich liebe dich auch.
    Dass diese neun Leute nach Madrid gelangt sind und nicht die zwanzig, die gemeinsam entkommen wollten, war eine weitere Laune des Zufalls. Ein großes Glück, sagte mir Emma sechzig Jahre danach, 1996, als ich mich mit ihr in Madrid unterhielt.
    Gefahren, Opfer, lange Jahre im Gefängnis – sie beide wurden festgenommen –, Trennung, Verfolgungen, Untergrund, Exil, nichts konnte diese Liebe zwischen Emma und Quique erschüttern, die auf jenem holprigen Weg in die Freiheit, von Sigüenza nach Madrid, ihren Anfang nahm.
    Sie erzählte mir, dass ihr viele Jahre später, 1982, noch einmal gemeinsam auf euren alten Spuren gewandelt seid. Warum zu diesem Zeitpunkt, Mika? Damals beschäftigte dich ein anderer Krieg, der mit dem Spanischen Bürgerkrieg nichts zu tun hatte, weit weg am südlichen Ende der Welt. Der Falklandkrieg. Las Malvinas, wie die Inseln in Argentinien heißen, in Anlehnung an ihren ursprünglich französischen Namen Îles Malouines, was von der bretonischen Hafenstadt Saint-Malo abgeleitet ist.

7. Kapitel
Paris, 1982
    Ihre Freunde haben Mikas Vorschlag angenommen: Sie würden zusammen noch einmal den Weg gehen. Nach ihrem langen Pariser Exil sind Emma und Quique vor vier Jahren nach Madrid gezogen. Wer anderes als die beiden sollte sie begleiten?
    Warum überkommt sie ausgerechnet jetzt, sechsundvierzig Jahre danach, dieser starke Wunsch, noch einmal die Strecke von Sigüenza nach Madrid wenigstens teilweise zu Fuß zu gehen?
    In ihren Aufzeichnungen ist dieser Weg eins mit den Namen der neun, die zusammen geflohen waren, mit Erlebnissen, Landschaften, Farben. Gelaufen ist sie ihn nie wieder, weder als sie ihre Aufzeichnungen in ihre endgültige Fassung gebracht hat, noch, als sie nach Atienza, Imón und Sigüenza gereist ist (diesen Bahnhof, die Kathedrale wiederzusehen hat sie sehr erschüttert). Und jetzt auf einmal dieser dringende Wunsch. Unabdingbar.
    Obwohl Rückenschmerzen sie plagen, der launige Wirbel, der operierte Leistenbruch, ihre Hüfte bei jedem Hinsetzen nach einem Kissen verlangt, ihre Füße schwer sind, die Augen allmählich nachlassen. Schon das Reden über ihre Beschwerden drückt sie nieder, trotzdem hat sie angeregt, mit Emma und Quique noch einmal den Weg zu gehen. Sie will diese Momente zurückholen, jetzt, da das Wort Krieg einen neuen Geschmack annimmt.
    Wenn sie an ihre Begegnung mit diesen in Frankreich lebenden Argentiniern denkt, an ihre glühende Begeisterung für den Falklandkrieg, sträuben sich ihr die Haare. Mika hat sich an dem Abend schwarz geärgert. Darum ist in ihr das Bedürfnis aufgekommen, sich den Krieg in Spanien noch einmal zusammen mit ihren damaligen Gefährten ins Gedächtnis zu

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