Die Capitana - Roman
rufen.
»Sie haben doch in Spanien gekämpft, Sie müssten sich jetzt freiwillig melden«, sagte dieser Mann zu ihr, der vor der Diktatur ins Exil geflohen war.
Mika brachte keinen Satz heraus, so perplex war sie. Was sagte er? Nahm er sie auf den Arm? Er sah sie an, lächelte und lenkte mit Rücksicht auf ihr Alter ein: Vielleicht nicht für den Kampfeinsatz, aber als moralische Unterstützung der Soldaten.
»Ja«, stimmte ein anderer ein. »Das wäre doch auch für Sie gut, endlich ein eigener Krieg, in Ihrem Land, und nicht ein fremder.«
Als wäre der Krieg in Spanien nicht ihr Krieg gewesen, was für eine Frechheit. Sie beschloss, es nicht persönlich zu nehmen, diese Leute hatten sicher nicht die Absicht gehabt, sie zu verletzen, sie waren einfach dumm, doch auch so war dieser ungesunde Eifer schwer zu begreifen, den der wahnwitzige Überfall auf die Falklandinseln in ihnen entfacht hatte.
»Ist der Falklandkrieg etwa Ihr Krieg? Sind die Hampelmänner, die diesen Krieg erklärt haben, nicht dieselben, die Sie aus Argentinien vertrieben, die Ihre Freunde ermordet haben? Oder haben Sie schon vergessen, warum Sie in Frankreich sind?«
»Ja, aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, hier geht es ums Vaterland. Die Falklandinseln gehören uns, und wir werden sie nicht den verdammten Engländern überlassen.«
»Wenn das Land auf dem Spiel steht …«
Ohne lange nachzudenken, stand Mika auf und schrie sie an: »Vaterland! Unser Land! Diese unverantwortlichen, kriminellen Wichte greifen diese Inseln an, um sich an der Macht zu halten. Das ist alles. Sie missbrauchen einen rechtmäßigen Anspruch auf übelste Weise für ihre eigenen Ziele, und die sind nicht die unseren.«
»Was wollen Sie eigentlich, Mika«, eine aufgebrachte Stimme zu ihr, »wollen Sie die Falklandinseln den britischen Imperialisten schenken? Seit einhundertvierzig Jahren rücken sie die Inseln nicht raus; unsere Geduld war am Ende, am 2. April war das Maß voll.«
»Unsere Geduld?«, spottete Mika, »wessen Geduld war am Ende? Ihre oder die von General Galtieri? Einen Krieg, den diese Massenmörder angefangen haben, kann ich nicht wollen.«
Noch immer ärgert sie sich, wenn sie an diese aufgeregt gestikulierenden Männer und Frauen, ihre schrillen Stimmen, ihren Hochmut denkt: Mit unseren Exocet-Raketen werden wir sie in die Knie zwingen. Woraufhin Mika sie fast angeschrien hat: Noch nicht mal ihr Handwerk verstehen diese verbrecherischen Generäle, Stümper sind sie, und brutale Mörder noch dazu, man müsste sie auf einem öffentlichen Platz erschießen, diese Schwachköpfe, die jetzt auf Knien vor den USA rutschen, haben kein Schamgefühl. Wie viele junge Männer wird diese üble Farce das Leben kosten, wie viele als Krüppel, Blinde zurücklassen? Womöglich wird ihre genau Zahl nie bekannt werden.
Sie weiß nicht mehr, was sie noch alles gesagt hat, aber sie erinnert sich gut an die wütenden Blicke, den schneidenden Ton, in dem sie ihr wie von der Richterbank aus vorgehalten haben: Mit Rücksicht auf ihr Alter und ihren Lebensweg wollen sie ihr das durchgehen lassen …
War das eine Drohung? Mika spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg, sie kochte vor Scham, Empörung, Wut. Zum Glück war ihr Freund Guillermo Núñez, der ihre Meinung teilte, auch anwesend, er nahm sie am Arm und zog sie aus diesem Schlangennest, in das sie hineingeraten war.
Sie hätte sich nicht so gehen lassen sollen, denkt sie im Nachhinein, das war es nicht wert.
In Le Monde liest sie eine Erklärung, in der ihr Freund Julio Cortázar und andere Intellektuelle den Betrug und die Propaganda der Diktatoren anprangern. Sie ruft ihn an: Gut gemacht, Julio, sie ist über das, was er über den Falklandkrieg geschrieben hat, sehr erleichtert. Sie muss mit ihm reden. Nach diesen hirnlosen Bemerkungen, die sie sich von ein paar Exilargentiniern hat anhören müssen.
»Das kannst du mir gleich erzählen«, unterbricht er sie, »wenn ich vorbeikomme. Ich will mich von dir verabschieden, bevor Carol und ich morgen verreisen.«
Doch verglichen mit ihr, was soll da Cortázar sagen, wie oft hat man ihn als Vaterlandsverräter beschimpft, ihm sogar das Recht abgesprochen, seine Meinung zu äußern, weil er aus Argentinien fortgegangen ist, als wäre er ein Schüler, der die Schule geschwänzt hat oder von zu Hause ausgerissen ist. Mika hat die Debatte mitverfolgt, die die argentinischen Intellektuellen über Cortázar geführt haben, und sie war es, die ihm in
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