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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Waffen die Kommunistische Partei Spaniens nur eine unter vielen Organisationen gewesen war, die Anarchisten der CNT - FAI und die Sozialisten mit ihrer regen Gewerkschaft, der UGT , waren viel mächtiger gewesen. Natürlich waren die Internationalen Brigaden beeindruckend, dass so viele edelmütige Menschen als Kämpfer nach Spanien kamen, war einfach ergreifend. Und was gegen die sowjetischen Flugzeuge sagen, die am spanischen Himmel gegen die Luftwaffe der Faschisten kämpften, sie selbst war zu Tränen gerührt gewesen, als sie dieses kleine graue russische Dreieck erblickt hatte, das über ihnen durch den Himmel zog, es sind unsere, unsere, hatte sie wie verrückt geschrien, war in die Luft gesprungen vor Freude, Mikas Lachen, das durch den Speisesaal des Hotels schallte. Sie erinnerte sich noch genau, als sie zum ersten Mal die Flugzeuge des Feindes gesehen hatte, Italiener waren es, hatte man ihr gesagt, wie ihr die Beine gezittert hatten, schrecklich, sie war fast gestorben vor Angst.
    Angst?, wunderte sich Roger, er dachte, sie hätte vor gar nichts Angst. Damit lag er vollkommen falsch. Das zumindest erzählte man von Mika, offenbar war sie schon ein Mythos, dachte Roger Klein laut. Mika hatte vor vielem Angst, vor den Geschützen, den Gewehren, vor der stockdunklen Nacht, vor der Kälte und vor Krankheiten, manchmal auch vor Menschen, und in Wahrheit hatte sie vor den Flugzeugen des Feindes nicht Angst, sondern Panik.
    Lachen wollte sie, einfach so, weil dieser Abend dazu da war, lachen, sich unterhalten, gut essen, ein bisschen schummrig im Kopf sein, loslassen. Sie tauschten interessante Ansichten über Befehl und Gehorsam aus, über die bürgerliche Regierung der Republik, Largo Caballero, das französische Omelett und die spanische Tortilla, ihre jüdische Herkunft, wie angenehm es war, so viele Gemeinsamkeiten zu entdecken.
    Es wäre ihr lieber gewesen, Roger Klein hätte nicht diese heikle Frage nach ihrem Verhältnis zu ihren Milizionären gestellt, hatte sie keine Anträge erhalten, gab es keine Schmeicheleien, keine Annäherungsversuche? Mika wehrte ab, strikt: Nein, noch nie, ihre Milizionäre hatten Respekt vor ihr.
    Mit Ojeda hatte sie darüber reden können, aber mit Roger wollte sie es nicht, warum stellte er ihr diese Fragen, wollte er das in seinem Artikel schreiben? Nein, selbstverständlich nicht, antwortete er, es war rein persönliches Interesse, nicht alles, worüber er mit ihr redete, war beruflich begründet, aber wenn ihr das nicht recht war …
    Sich der unbehaglichen Stimmung bewusst, versuchte Roger Klein, das Gespräch auf die Lage des POUM zu lenken, sie antwortete höflich, aber nur das Nötigste, und verwies ihn auf Juan Andrade, Quique Rodríguez oder irgendein anderes Mitglied des POUM , das ihm besser Auskunft geben konnte als sie, und jetzt, Herr Journalist, werde ich aufbrechen, so viel belangloses Gerede macht mich müde.
    Nichts an Mika signalisierte ihm, dass sie irgendein weiterführendes Interesse an ihm hatte, vor allem nach ihrem allzu abfälligen Urteil über ihre Unterhaltung – sie hatte ihr doch auch Freude gemacht –, trotzdem wagte Roger Klein einen unvermittelten Vorstoß: Möchtest du hier schlafen?
    Die Frage erschütterte sie. Furcht, Empörung, Genugtuung, Traurigkeit und wer weiß was noch alles durchliefen sie, als sie ihm spitz antwortete: Mit dir?
    »Mit mir oder ohne mich, wie du willst. Verbieten dir das deine Prinzipien?«
    Ihre für den Krieg geltenden Prinzipien verboten ihr das, erklärte sie ihm, ihr Stand gegenüber ihren Milizionären, und selbst wenn sie es nicht mitbekämen, selbst wenn niemand anderes als sie beide es wüssten, würde es doch die Sache herabwürdigen, der sie diente.
    Die Erinnerung an Hippo, seinen warmen Körper, seine langen Arme, die sich um sie schlangen, seine Hitze, ein heftiger Stich ließ sie verstummen. Wie hatte sie auch nur einen Augenblick lang …
    Roger Klein bot ihr an, sie ins Quartier zu begleiten, nein, danke, ich gehe allein. Er nahm Mikas Hände und suchte ihren Blick: Er hoffte, sie war nicht beleidigt, weil er sie wie eine Frau behandelt hatte, und dann das Leuchten in seinen Augen, als er mit Bedacht sagte: dich, du außergewöhnliche Frau.
    »Irgendwann treffen wir uns in Paris, wenn wir überleben, und dann führen wir unser Gespräch fort. Adiós, compañero«, sagte Mika und ging.
    Zwar lebten sie in ein und demselben Land, aber ihre Wege kreuzten sich nicht mehr, bis Mika 1975 ihre

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