Die Champagnerkönigin
bekannt, dass sich keine der beiden Frauen sonderlich um ihren Vater kümmerte, und Interesse am Champagner zeigten sie auch nicht. Dabei war Francois bis vor wenigen Minuten noch stolzer Besitzer eines Weinbergs in bester Lage gewesen, den er bis zuletzt allein bearbeitet hatte. Der Verkauf seiner Trauben der beiden Rebsorten Pinot Noir und Pinot Meunier hatten, dem alten Weinbauern ein gutes Auskommen beschert, und nun, nach dem Verkauf seines Landes, war er ein reicher Mann. Noch reicher – an Land nämlich – war jedoch Henriette Trubert.
Mit einem zufriedenen Lächeln kam sie jetzt zurück ins Zimmer.
»Wenn es nur immer so leicht ginge«, sagte sie seufzend und setzte sich an ihren Schreibtisch. »Francois kann nun in Ruhe seinen Lebensabend in wärmeren Gefilden genießen, hoffentlich ohne die Schmerzen, die ihm seine Arthrose vor allem im Winter hier stets beschert hat.« Mit ihrer rechten Hand wies sie Daniel an, auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Er folgte der Aufforderung nur unwillig. So kurz vor der Ernte war jede Viertelstunde kostbar, das wusste Henriette genau – er hatte keine Zeit für Plaudereien.
»Gratulation, der Leblanc-Weinberg ist eine der besten Lagen in der ganzen Champagne«, sagte er spröde, weil er wusste, dass eine Bemerkung von ihm erwartet wurde.
Henriette lachte auf. »Als ob mir das nicht klar wäre! Am besten machst du noch heute einen Rundgang über unser neues Land und schaust, in welchem Zustand die Reben sind. Vor allem die Pinot-Noir-Trauben werden eine wunderbare Ergänzung für unseren Champagner werden.« Ihr Lächeln verschwand, und abrupt das Thema wechselnd sagte sie: »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Isabelle Feininger ebenfalls nach Troyes reist, um die Amerikaner zu treffen?« Obwohl sie versuchte, ihrer Stimme einen gleichgültigen Klang zu verleihen, erkannte Daniel die innere Anspannung der Winzerin. Ihr wie immer zu stark geschminkter Mund war leicht verkniffen, an ihrem rechten Auge zeigte sich ein leichtes Zucken. Der dunkelrote Satin ihres Tageskleides raschelte bei jeder nervösen Bewegung.
»Darüber weiß ich nichts, Madame«, sagte er ruhig. Dabei wusste er durch Ghislaine durchaus Bescheid. »Die beiden Berlinerinnen sind ein Segen, sie wissen Isabelle wirklich zu nehmen«, hatte Ghislaine ihm voller Bewunderung erzählt.
»Ich nehme an, diese beiden Frauen aus Berlin haben die Witwe aufgestachelt«, sagte prompt auch Henriette. »So schwächlich, wie ich Isabelle bei meinen letzten Besuchen erlebt habe, wäre sie allein nie in der Lage gewesen, sich zu so etwas aufzuschwingen. Wenn du mich fragst, ist die Witwe viel zu hinfällig für eine solche Reise. Und harten Geschäftsverhandlungen ist sie auch nicht gewachsen.« Ärger und Ungeduld schwangen nun in Henriettes Stimme mit.
»Was kümmert es Sie, wohin Madame Feininger reist?«, fragte Daniel so arglos wie möglich.
Die Winzerin schaute ihn argwöhnisch an. »Du weißt ganz genau, worum es mir geht. Es fehlt nur noch so ein Stück, bis die Witwe mir das Weingut verkauft!« Sie zeigte mit ihrem rechten Daumen und Zeigefinger einen winzigen Abstand an. »Wahrscheinlich hätte sie schon bei meinem nächsten Besuch unterschrieben. Und ausgerechnet da tauchen diese Freundinnen auf und bringen alles wieder durcheinander. Wie heißt es so schön? Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn. Was, wenn es Isabelle Feininger gelingt, den Amerikanern ihren Champagner zu verkaufen? Dann ist sie womöglich wieder obenauf und so arrogant wie eh und je. Wer weiß, welche Verrücktheiten diese Berlinerinnen ihr noch ins Ohr flüstern? Am Ende kommt sie noch auf die Idee hierzubleiben. Aber das werde ich zu unterbinden wissen!«
Isabelle wieder obenauf … Daniel konnte sich weitaus Schlimmeres vorstellen.
Es musste sich in seiner Miene widerspiegeln, denn prompt sagte Henriette: »Daniel, hier geht es um das Land deiner Urväter! Wenn es in meinen Besitz kommt, kannst du darüber verfügen, wie es dir gefällt. Stell dir das doch nur vor … Du bräuchtest nicht mehr wie ein Dieb durch die Rebzeilen der Feininger-Weinberge zu schleichen, sondern könntest rechtmäßig während deiner morgendlichen Kontrollgänge über Lambert-Land spazieren. Und zur Jahrhundertwende gäbe es einen Champagner mit dem Namen Trubert-Lambert. Wünschst du dir das etwa nicht?« Ihre Stimme wurde samtweich und verführerisch.
Daniel schloss die Augen, als wollte er sich so vor dem Bild, das seine Chefin
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