Die Champagnerkönigin
Programmpunkt von allen gerüstet.
Zukünftig würde sie öfter in die Stadt fahren und nicht erst, wenn ihr der Kragen platzte, beschloss sie.
»Dass ein paar Flaschen Champagner zu Bruch gehen, ist nicht unüblich, liebe Isabelle. Die ganze Champagnerherstellung ist ein unberechenbares Geschäft, ein Winzer weiß heute nicht, was ihn morgen erwartet. Bei den Flaschen, die in Ihrem Keller geplatzt sind, war höchstwahrscheinlich der Kohlendioxidgehalt zu hoch, sie standen unter einem zu hohen Druck, man kann auch sagen, Ihr Champagnerwein war en furie «, erklärte Raymond Dupont lächelnd, nachdem Isabelle ihm das Unglück geschildert hatte. Kaum hatte sie seinen Laden betreten, hatte er alles stehen und liegen gelassen und sie an den runden Verkostungstisch geleitet. Danach hatte er die Ladentür abgeschlossen, um sich einzig ihr widmen zu können. Dass der vielbeschäftigte Mann ihr so viel Aufmerksamkeit schenkte, schmeichelte Isabelle ein wenig.
»Beim Anblick dieses Chaos wurde ich ebenfalls zur Furie«, sagte sie zähneknirschend, doch in ihrem Inneren war der Ärger längst verflogen. Sie nippte an dem Rosé-Champagner, den Raymond ihr eingeschenkt hatte, und schaute sich unauffällig in seinem Geschäft um. Die Atmosphäre von Reichtum und Überfluss hüllten sie ein wie ein warmer Schal.
»Früher, vor fünfzig bis hundert Jahren, als die Flaschen noch minderer Qualität waren, gab es noch viel mehr Bruch, die Kellermeister und Winzer trauten sich aus lauter Angst vor einer Explosion ohne eine eiserne Schutzmaske erst gar nicht in ihre Keller hinab. Haben Sie sich noch nie gefragt, warum so viele Winzer narbige Hände haben? Oder warum Ihr Kellermeister nur noch ein Auge hat? Solche Unfälle durch herumfliegende Glasscherben waren in früheren Zeiten die Regel.«
»Es gibt wirklich nichts, was Sie nicht über Champagner wissen«, sagte Isabelle nachdenklich. »Diese Zeiten, von denen Sie sprechen, sind doch aber längst vorbei. Mein Flaschenlieferant aus den Argonnen hat mir jedenfalls versichert, dass seine Ware von höchster Güte sei. Wenn bei uns im Keller etwas zu Bruch geht, liegt das nur daran, dass mein Kellermeister ein Stümper ist.«
Der Champagnerhändler lachte schallend. »Ich wage nicht zu widersprechen!«
»Wenn der Vorfall heute der einzige gewesen wäre – aber es hapert an so vielem!« In einer hilflosen Geste warf sie beide Hände in die Höhe. »Ich habe das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Der Berg an Fragen und Problemen wird einfach nicht kleiner.« Und ihre Geldvorräte waren durch die Korken- und Flaschenlieferungen auch weiter geschmolzen, dachte sie beklommen.
Raymond nahm ihre Hand. »Wenn man bedenkt, dass Sie – verzeihen Sie mir die Worte – eine Fremde sind, schlagen Sie sich doch ganz wacker. Allerdings muss man nüchtern konstatieren, dass die Arbeit, die Sie sich zumuten, für eine Frau allein einfach zu viel ist. Wenn Sie wenigstens Hilfe hätten …«
»Da sagen Sie etwas Wahres«, seufzte Isabelle. »Lieber Raymond, ich brauche dringend einen neuen Kellermeister, kennen Sie vielleicht jemanden?« Aufgeregt drückte sie seine Hand, die noch immer in ihrer lag.
Doch Raymond zuckte bedauernd mit den Schultern. »Leider nein. Ich habe schon vor einiger Zeit begonnen, mich für Sie umzuhören. Dass Ihr Monsieur Grosse nichts taugt, war mir nach der Weinprobe mit Ihrem viel zu süßen Champagner klar. Aber bisher konnte ich trotz all meiner Kontakte nichts erreichen.« Er unterbrach sich kurz und fuhr dann fort: »Es scheint, als gäbe es derzeit keinen einzigen arbeitslosen Kellermeister weit und breit. Jeder, der sein Handwerk versteht, ist in Lohn und Arbeit.«
Isabelle sackte in sich zusammen. »Ein fähiger Kellermeister ist meine einzige Rettung.«
»Ich würde Ihnen so gern helfen, liebe Isabelle. Aber die Champagnerherstellung ist nun einmal ein gnadenloses Geschäft«, erwiderte Raymond Dupont. »Nirgendwo lässt sich mit Wein so viel Geld verdienen wie bei uns. Im Jahr 1868 wurden jährlich um die 15 Millionen Flaschen verkauft, heute, dreißig Jahre später, sind es doppelt so viele. Da liegt es doch auf der Hand, dass jeder Winzer alles tut, um in diesem Spiel ganz vorn mitspielen zu können! Und nun, so kurz vor der Jahrhundertwende, hat das Ganze noch mehr Fahrt aufgenommen. Jeder, der einen guten Kellermeister hat, wäre doch dumm, ihn gerade jetzt gehen zu lassen.«
»Dann kann ich also gleich einpacken, oder?«, fragte Isabelle
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