Die Champagnerkönigin
mutlos.
»Aber nicht doch! Ich höre mich natürlich weiterhin für Sie um«, sagte Raymond. »Sie sollten die Hoffnung nicht aufgeben, manchmal geschehen auch Wunder.«
Wunder! An die glaubte Isabelle schon lange nicht mehr. Der Gedanke, sich weiterhin mit Grosse herumschlagen zu müssen, war fast unerträglich.
»Nun denken Sie bitte wieder an etwas Schönes. Eine Dame in Ihrem Zustand sollte sich nicht so echauffieren. Bestimmt haben Sie ein paar hübsche Kleidungsstücke für Ihr Kind gekauft, wollen Sie mir die nicht zeigen?« Auffordernd wies er auf den zartgelben Karton mit dem Emblem des Kinderwarenladens ein paar Häuser weiter.
Isabelle ging auf das Ablenkungsmanöver ein. Nachdem sie die wollenen Kindersachen vorgeführt und Raymond sie bewundert hatte, fühlte sie sich tatsächlich ein bisschen besser. Doch dann sagte Raymond: »Haben Sie denn auch schon eine Amme und ein Kindermädchen für Ihr Kleines ausgesucht? Von meiner verehrten Kundschaft weiß ich, dass es hier in Reims ein paar Frauen mit gutem Leumund gibt. Junge Mädchen aus dem Elsass sind wohl besonders liebevoll.«
»Eine Amme? Wie kommen Sie nur darauf?« Unwillkürlich legte sie eine Hand schützend auf ihren Bauch.
Raymond schaute sie konsterniert an. »Erlauben Sie mir die Frage – wollen Sie sich denn etwa um Ihr Kind und das Weingut kümmern?«
Isabelle antwortete spröde: »Das wird sich alles zeigen.«
»Gewiss doch«, sagte Raymond und stand lächelnd auf. »Und jetzt haben wir genug Sorgen gewälzt! Es wäre mir eine große Freude und Ehre, wenn ich Sie zum Essen einladen dürfte. Eine Freundin von mir hat in der Rue Buirette ein neues Lokal eröffnet, mit vorzüglicher Küche …«
Kerzenschein, Damast und Treibhausrosen auf den Tischen, im Hintergrund leise Geigenmusik – entspannt lehnte sich Isabelle auf ihrem Stuhl zurück.
Raymond, der in die Weinkarte vertieft war, schaute auf und sagte lächelnd: »Habe ich zu viel versprochen?«
Bevor Isabelle antworten konnte, kam die Restaurantchefin an ihren Tisch. Sie und Raymond tauschten ein paar Worte, dann gab er die Bestellung für sie beide auf. Isabelle, die sich mit der umfangreichen Speisekarte schwergetan hatte, war erleichtert.
Im Gegensatz zu ihrem Gespräch in seinem Laden, wo sich alles nur ums Geschäftliche gedreht hatte, war ihre Unterhaltung nun leicht und spielerisch. Raymond gab Anekdoten zum Besten, die er mit kapriziösen Kunden erlebt hatte – selbstverständlich ohne dabei Namen zu nennen! –, und Isabelle erzählte von ihren Radfahrabenteuern. Dass sie ein Langstreckenrennen in Dänemark mitgefahren war, beeindruckte Raymond sehr.
Als das Hauptgericht – ein mit Maronen gefüllter Kapaun – serviert wurde, fühlte sich Isabelle so wohl wie schon lange nicht mehr.
»Wie kommt es eigentlich, dass ein Mann wie Sie nicht verheiratet ist?« Noch während die Worte aus ihrem Mund kamen, fragte sie sich, ob sich solch eine Frage überhaupt schickte.
Doch Raymond schien ihr die Neugier nicht übelzunehmen. »Vielleicht wollte es einfach keine Dame länger mit mir altem Kauz aushalten«, antwortete er und verzog das Gesicht.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Isabelle spontan. »Von wegen alter Kauz! Sie sind doch so … so …« Sie wedelte mit der linken Hand durch die Luft, als wollte sie das passende Adjektiv einfangen. »… so wunderbar.« Wunderbar?
»Wenn Sie das sagen …« Raymond grinste. »Vielleicht ist es dann so, dass ein wunderbarer Mann auch eine wunderbare Frau an seiner Seite haben möchte?«
»Sie sind also wählerisch«, sagte Isabelle triumphierend. Das hatte sie sich gleich gedacht.
»Wählerisch, anspruchsvoll, kritisch – zu kritisch? Wer weiß das schon so genau?« Der Champagnerhändler zuckte mit den Schultern. »Die Frau meiner Träume würde ich jedenfalls sofort heiraten.« Er prostete ihr mit seinem Weinglas und einem sehr bedeutungsvollen Blick zu.
Ein wenig beklommen wandte Isabelle die Augen ab.
Als Isabelle spät am Nachmittag des nächsten Tages wieder in Hautvillers ankam, fühlte sie sich erholt und frohen Mutes. Der Abend mit Raymond, seine ungeteilte Aufmerksamkeit ihr gegenüber, das phantastische Essen bei Kerzenlicht – all das hatte ihr gutgetan. Gebannt hatte sie seinen Erzählungen über seine Reisen und über sein Leben allgemein gelauscht. Danach hatte er sie noch in ihr Hotel gebracht und sich mit einem charmanten Handkuss von ihr verabschiedet.
»Es wäre mir die größte Freude, Sie zum
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