Die Champagnerkönigin
tiefen Gefühle, die Isabelle in ihm weckte, vor ihr zu verbergen. Dann schenkte er nach. »Mit diesem Champagner wollte Jacques den europäischen Markt erobern, allem Anschein nach ist es dazu nicht mehr gekommen. Er hat wohl lieber Grosses süße Limonade verkauft als diesen exquisiten Champagner …« Daniel schüttelte verwundert den Kopf. »Aber sei’s drum. Für uns ist es ein großer Glücksfall, dass ich diese Flaschen wiederentdeckt habe.«
Isabelle langte über den Tisch, nahm Daniels rechte Hand und drückte sie. »Kannst du nicht genau solch einen Rosé-Champagner fürs neue Jahrhundert machen? Damit hätten wir doch wirklich etwas ganz Besonderes im Angebot, oder nicht? Nicht einmal bei Raymond Dupont habe ich je einen solchen Champagner getrunken.«
Er lachte auf. »Und das hat seinen guten Grund. Kaum einer traut sich an einen Rosé-Champagner heran, sie sind nämlich sehr schwierig herzustellen. Selbst bei der sorgfältigsten assemblage ist nicht sicher, wie sich die Weine in den nächsten Monaten in Bezug auf die Farbe entwickeln. Im schlimmsten Fall kommt kein schöner Roséton heraus, sondern ein schmutziges Blau oder Grün. Und damit wäre dann die komplette Cuvée verloren … Die meisten Winzer, die sich an Rosé-Champagner heranwagen, setzen einem weißen Wein Cochenille zu, das ist ein roter Farbstoff, der aus den Salzen der Karminsäure besteht. Doch auf ein solches Mittel würde ich nie zurückgreifen, für mich grenzt das fast schon an Betrug. Für mich muss die Farbe aus der Traubenschale kommen.«
Isabelle nickte heftig. »Farbe im Champagner – das wäre ja schon wieder eine Panscherei!«
»Ganz genau«, sagte Daniel. »Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Natürlich traue ich mir zu, nochmals einen Champagner dieser Qualität herzustellen. Aber dafür ist es nötig, dass der Champagner mindestens bis zum Sommer des nächsten Jahres, wenn nicht länger, ruhen kann.«
»Aber so viel Zeit haben wir doch gar nicht, dann ist der Jahrhundertwechsel vorbei!«, rief Isabelle entsetzt.
»Du kannst doch den 1892 er als Jahrhundertchampagner verkaufen, die Klasse dazu hat er allemal. Er würde dir ein ordentliches Sümmchen Geld einbringen, davon bin ich überzeugt«, erwiderte Daniel ruhig. »Und in den kommenden Jahren kannst du dann den Champagner, den ich heute verschneide, verkaufen.«
»Ich hatte geglaubt, der Traubensaft, den wir von den letztjährigen Trauben gewonnen haben, würde in den Jahrhundertchampagner kommen! Jetzt verstehe ich gar nichts mehr …« Isabelle war nun völlig verwirrt.
»Ich weiß, dass der eine oder andere Winzer angesichts des Jahrhundertwechsels alles verkauft, was er an Ware hat. Aber ein so junger Champagner ist einfach noch zu kratzig, zu wenig rund und für die großen Feierlichkeiten, die der Welt bevorstehen, einfach nicht gut genug. Ich würde mir wie ein Betrüger vorkommen, wenn ich dich damit losschickte. Wenn du allerdings darauf bestehst …« Daniel zuckte mit den Schultern.
Isabelle sah ihn betroffen an. »Und ich dachte, ich hätte zumindest schon ein bisschen Ahnung von diesem Geschäft …« Im nächsten Moment sprang sie auf, umarmte Daniel und küsste ihn auf die Wange. »Was würde ich nur ohne dich tun? Danke für deinen guten Rat. Ich werde deinen reifen Rosé-Champagner voller Freude und Stolz verkaufen. Gegen unseren Jahrhundert-Feininger werden alle anderen blass aussehen!«
38. Kapitel
Als Clara erwachte, wusste sie im ersten Moment nicht, wo sie war. Das Vogelgezwitscher vor ihrem Fenster, der Geruch der Bettwäsche, nach Lavendel und Mottenkugeln, die Schwere der Bettdecke – alles hörte und fühlte sich fremdartig an, jedoch nicht unangenehm. Fast ein wenig unwillig öffnete sie die Augen und fand sich in Isabelles Gästezimmer wieder, wo sie schon die letzten fünf Nächte verbracht hatte.
Ihr Blick fiel aus dem Fenster. Obwohl es erst Ende Februar war, lag schon ein Hauch Frühling in der Luft, die durch das geöffnete Fenster hereinströmte. Rund um Isabelles Haus blühten Winterjasmin und Zaubernuss und verströmten einen warmen, unnachahmlichen Duft. Clara runzelte die Stirn. Wenn sie da an den Dunst dachte, der die Berliner Straßen verpestete! Der Gestank der immer mehr werdenden Fabriken, der graue Rauch, der aus dem Kamin der Hufschmiede weiter vorn in der Straße aufstieg, die scharfen Gerüche aus der Schuhmacherwerkstatt direkt daneben – dazu die Abfälle von Mensch und Tier auf engstem Raum
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