Die Champagnerkönigin
verständnisvoll. Zeit mit dem Geliebten war ein rares Gut für Ghislaine.
Da sie wusste, dass Micheline in ihrer Funktion als Kellermeisterin bei Champagne Guenin ebenfalls mit dem Verschnitt ihres Champagners zugange war, schob Isabelle den Kinderwagen zu Carla Chapron. Doch die Küferfrau lag mit einer Erkältung darnieder.
»Ich würde ja gern …«, krächzte sie und nieste Isabelle, bevor die sichs versah, ins Gesicht. Isabelle schlug eilig die Tür wieder zu, dann ging sie nach Hause zurück. Und nun? Ob sich Claude Bertrand wohl bereit erklären würde, das Kind zu hüten? Sie hatte die Frage noch nicht zu Ende gedacht, als ihr einfiel, dass ihr Verwalter in Épernay war, um neues Zaunmaterial fürs Pfauengehege zu besorgen. Verflixt noch mal …
Am Hause der Guenins angekommen, hielt sie inne. Vielleicht konnte sie Marie Guenin fragen? Sie hatte die ältere Nachbarin schon seit Wochen nicht gesehen. Es war immer nur Micheline gewesen, die ihr eine Quiche oder einen Teller Suppe vorbeibrachte. Isabelle hatte sich nichts dabei gedacht, immerhin war Micheline ihre Freundin – mit Marie verband sie lediglich ein gutes Nachbarschaftsverhältnis, so wie mit Carla Chapron und anderen auch. Aber auch als Nachbarin half man sich doch, oder etwa nicht?
Erleichtert, eine Lösung für ihr Problem gefunden zu haben, klopfte Isabelle an Maries Tür. Doch es öffnete sich lediglich eins der Fenster im Parterre. Marie streckte ihren Kopf heraus. Einen Moment lang hatte Isabelle das Gefühl, als würde das Gesicht der Älteren bei ihrem Anblick in tausend Fragmente zerfallen.
»Ja bitte?«, fragte Marie schmallippig.
»Guten Tag, Marie! Ich wollte fragen, ob Sie wohl ausnahmsweise einmal auf Margerite aufpassen könnten.« Kleine weiße Wölkchen bildeten sich in der winterkalten Luft, während Isabelle unsicher ihre Bitte vortrug. Marie war doch hoffentlich nicht auch erkältet, bangte sie im Stillen, als die Nachbarin nicht gleich antwortete.
»Es wäre auch nur für zwei, drei Stunden«, schob sie nach. »Ich muss unbedingt in den Weinkeller.«
Wie immer trug Marie Guenin ihr Haar zu einem strengen Zopf gebunden, so dass ihr Gesicht wie gestrafft aussah. Unter ihrem rechten Auge zuckte es nervös, als sie erst Isabelle und dann den Kinderwagen anschaute. Mit verkniffenen Lippen wischte sie sich übers Gesicht, als wollte sie ein Insekt verjagen. Als sie endlich den Mund zu einer Antwort öffnete, hatten ihre Lippen jegliche Farbe verloren.
»Isabelle, seien Sie mir bitte nicht böse, aber … ich kann Ihr Kind nicht nehmen. Ich tue Ihnen jeden anderen Gefallen, wirklich, aber dass Sie ausgerechnet mir dieses Kind bringen wollen … Nein, das geht wirklich nicht.«
Wie vom Donner gerührt musste Isabelle mit ansehen, dass das Fenster vor ihren Augen zugeschlagen wurde. Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten?
Zufrieden schaute sich Daniel in dem kleinen Raum auf der Hinterseite des Hauses um. Er war für die assemblage völlig ausreichend – zwar nicht so groß wie die entsprechenden Räumlichkeiten auf dem Weingut Trubert, aber er war ja auch früher schon hier zurechtgekommen.
Im Gegensatz zum dunklen, kalten und muffigen Weinkeller war es hier oben immerhin trocken, hell und geruchsarm. Hier gab es keine Pilze an den Wänden und keine Feuchtigkeit, die seine Arbeit negativ beeinflussen konnten. Er war in diesem Raum nicht nur vor jedem Wetter geschützt, sondern konnte ihn dank des großen Vorhängeschlosses, das Claude auf seinen Wunsch hin in Épernay gekauft hatte, am Abend abschließen. Er glaubte zwar nicht, dass Henriette Trubert so weit gehen würde, ihren Saboteur Grosse erneut aufs Weingut Feininger zu schicken, aber sicher war sicher!
In die Mitte des Raumes hatten Claude und er einen großen Tisch gestellt, auf ihm standen nun fast drei Dutzend Ballonflaschen – frische Weine der letzten Ernte, aber auch Proben von diversen Reserveweinen, die er in Isabelles Keller gefunden hatte. In einem Eimer mit Eiswasser befanden sich außerdem ein paar Flaschen fertiger Champagner, eine kleine Überraschung, die Daniel für Isabelle vorbereitet hatte. Er war schon jetzt gespannt auf ihre Reaktion.
Ein paar Stühle hatte Claude ebenfalls für ihn organisiert – das viele Riechen, Kosten und Schmecken war körperlich so anstrengend, dass es nötig wurde, sich zwischendurch ein paar Minuten hinzusetzen und auszuruhen. Auf der Anrichte standen weitere Glasgefäße, in diesen würde er seine
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