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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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… Wenn dann noch der Nebel aus dem Berliner Umland in die Stadt zog, tat man sich mit dem Durchatmen so schwer, dass Clara um die Gesundheit ihres Sohnes bangte. Mit drei Jahren war Matthias noch immer ein zartes Kind, ein Windhauch reichte aus, um bei ihm eine Erkältung oder einen Husten hervorzurufen.
    »Das kommt davon, dass du ihn ständig so verhätschelst«, warf ihr Mann Gerhard ihr vor. »Morgens und abends eine kalte Abreibung – das würde ihn abhärten!«
    Clara seufzte. Gerhard hatte gut reden, er musste sich ja auch nicht Matthias’ gellendes Geschrei anhören, wenn der Waschlappen eine Spur zu kühl war.
    Wie es Matthias und ihren Eltern wohl erging? Der Kleine war gern bei Sophie und Anton Berg. Genauso, wie sie einst ihre Tochter Clara verhätschelt hatten, taten sie es nun bei ihrem dreijährigen Enkelsohn. Wahrscheinlich verbrachten sie zusammen wunderbare Tage, ohne auch nur einen Gedanken an sie, Clara, zu verschwenden.
    Sie drehte sich seufzend zur Seite. Was hatte sie für ein Glück, dass ihr Junge gesund und munter war, sah man einmal von seiner Anfälligkeit für Erkältungen ab! Der Gedanke, dass nicht jeder Mutter dieses Glück beschieden war, ließ einen bitteren Geschmack in ihrer Kehle aufsteigen, gerade so, als hätte sie etwas Verdorbenes gegessen. Nicht daran denken, befahl sich Clara streng. Nicht denken, nur sein.
    Länger als nötig liegen bleiben können – zu Hause war so etwas unmöglich. Gerhard wünschte allmorgendlich einen perfekt gedeckten Frühstückstisch und dazu eine nicht minder perfekt hergerichtete Ehefrau. Um all seinen Wünschen entsprechen zu können, musste Clara eine Stunde vor ihm aufstehen, denn eine Haushaltshilfe hatte sie immer noch nicht. Den Kamin anfeuern, den Herd in der Küche ebenfalls, Wasser zum Waschen aufsetzen, dann ab ins Bad, wo sie eine Katzenwäsche mit kaltem Wasser durchführte. Anziehen, einen blütenweißen gestärkten Kragen um den Hals legen, die Haare aufstecken, den Tisch decken, Matthias wecken und dafür sorgen, dass er nicht zu laut herumtobte. Je länger sie darüber nachdachte, desto erstaunlicher fand sie es, dass Gerhard sie überhaupt hatte gehen lassen.
    Die Gedanken an Zuhause waren so ermüdend, dass Clara die Augen wieder zufielen.
    Als sie erneut erwachte, stand Isabelle an ihrem Bett. Auf ihrem rechten Arm trug sie Margerite, in der linken Hand hatte sie eine Tasse Tee, die sie nun auf Claras Nachttisch abstellte. Er duftete nach Heu und Wiesenblumen.
    »Na, du Schlafmütze? Hast du vergessen, dass wir heute bei Raymond Dupont eingeladen sind? Wenn wir bis zum Mittag­essen in Reims sein wollen, solltest du allmählich aufstehen.«
    Wie frohgemut Isabelle war! Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu ihrem letzten Besuch, wo die Trauer um Leon sie fast in den Wahnsinn getrieben hatte.
    »Einen guten Morgen, ihr zwei.« Clara dehnte lächelnd ihre Arme, dann kitzelte sie die Kleine an einem ihrer Füße. Statt zu strampeln, wie Matthias es getan hätte, schaute Margerite sie nur mit großen Augen an.
    Draußen vor dem Fenster schob sich eine Wolke vor die klare Wintersonne, und drinnen verdüsterte sie Claras Gemüt. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte losgeheult, wenn sie an die schreckliche Aufgabe dachte, die ihr bevorstand. Wie würde Isabelle reagieren, wenn sie ihr sagte, dass … Sie rappelte sich in eine sitzende Position auf und zwang sich zu anderen Gedanken.
    »Bist du dir wirklich sicher, dass ich zu diesem Geburtstagsfest mitkommen soll? Ich kenne doch niemanden, habe nicht einmal ein Geschenk für Herrn Dupont. Vielleicht wäre es besser, ich bleibe zu Hause und passe auf Margerite auf.«
    Isabelle wischte ihre Zweifel mit einer Handbewegung beiseite. »Ich kenne wahrscheinlich auch niemanden. Und als Raymond von deinem Besuch erfuhr, hat er ausdrücklich auch dich eingeladen. Es ist wichtig, dass ich ihn treffe, ich brauche seinen Rat wegen der Vermarktung unseres neuen Champagners. Auf Margerite passt Ghislaine auf, sie freut sich schon darauf. Nun steh bitte auf und mach dich hübsch. Wenn du willst, können wir uns gegenseitig die Haare richten, und eins meiner Kleider leihe ich dir auch gern. Bestimmt hat Raymond nur die Crème de la Crème der Reimser Gesellschaft eingeladen. Da wollen wir doch nicht wie zwei arme Berliner Mamsellen daherkommen, oder?«
    Clara spürte ein Grummeln in der Magengegend. Hoffentlich würde sie sich in solch einem prunkvollen Rahmen angemessen zu benehmen

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