Die Champagnerkönigin
neuen Kompositionen vermengen. Ein großes Spuckgefäß stand ebenfalls parat – wie jeder gute Kellermeister würde Daniel die verkosteten Weine nicht trinken, sondern wieder ausspucken.
Er trat ans Fenster. Die Luft glitzerte wie Kristall, alles war still und friedlich, selbst die Vögel, die nicht gen Süden geflogen waren, schwiegen, als wären sie sich der Bedeutsamkeit dieses Tages bewusst. Nun fehlte nur noch Isabelle.
Daniel hatte schon eine recht gute Vorstellung von dem Champagner, den er für sie kreieren wollte. Doch zuerst wollte er herausfinden, ob sich seine Vorstellung mit Isabelles Ideen deckte. Dies würde schließlich ihr erster gemeinsamer Champagner werden!
Daniel verzog spöttisch das Gesicht. Was für seltsame Anwandlungen er plötzlich hatte! All die Jahre hatte er sich jegliche Einmischung von Henriette Trubert oder Jacques Feininger verbeten. Richtig grantig war er geworden, wenn sich seine jeweiligen Vorgesetzten hatten einmischen wollen. Und nun wartete er sehnsüchtig auf Isabelles Erscheinen – dabei hätte er schon längst mit der Arbeit anfangen können.
Seine Grimasse wurde zu einem breiten Lächeln, als er draußen Schritte hörte.
»Hier bin ich! Du hast mich doch nicht etwa im Weinkeller gesucht?«, rief er und schob die Stühle zurecht. Isabelle sollte es bequem haben. Er lief zur Tür, um sie zu öffnen. »Dort wäre eine assemblage nämlich gar nicht möglich, also habe ich hier alles hergerichtet –« Stirnrunzelnd brach er ab, als er ihren verstörten Gesichtsausdruck sah.
»Ist etwas passiert?« Er warf einen Blick in den Kinderwagen. Zu seiner Erleichterung lag Margerite wach darin. Schnell schob er den Wagen an die Rückwand der Sommerküche, wo die Temperaturen noch am angenehmsten waren.
Isabelle ließ sich auf einem der Stühle nieder. Stockend erzählte sie ihm dann, wie sie versucht hatte, jemanden für Margerite zu finden. Auf ihrer Stirn zeigte sich eine tiefe Falte, als sie sagte: »Du hättest mal sehen müssen, wie böse Marie uns angeschaut hat. Es würde nicht gehen, dass ich ihr dieses Kind bringen wollte – was meinte Marie damit?« Sie sah Daniel verwirrt an.
Daniel stieß schwer die Luft aus. Er ging neben Isabelle in die Hocke, strich ihr die Haare, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatten, aus dem Gesicht. Wie schön sie war!
»Marie ist nun einmal etwas … seltsam. Nimm dir ihre Worte nicht zu sehr zu Herzen. Du kennst doch ihre traurige Geschichte.«
Isabelle nickte. »Ja. Aber das ist doch noch kein Grund, so gemein zu sein.« Sie schluchzte auf.
Daniel schaute Isabelle ernst an. »Als Gott die Rebstöcke schuf, hat er sie auch nicht alle gleich gemacht. Ein jeder ist auf seine Art schön und einzigartig. Wer das nicht versteht, versteht das Leben selbst nicht.« Er schaute auf Margerite, die jetzt eingeschlafen war, dann reichte er Isabelle ein nicht ganz sauberes Taschentuch.
»Aber was ist denn an meinem Kind so anders?«, flüsterte sie.
Daniel brummte unwirsch. »Mach dir nicht zu viele Gedanken. Und nun lass uns mit der Arbeit anfangen, wir haben heute noch viel vor.« Er schnappte sich einen Stuhl, ließ sich ihr gegenüber nieder. »Bevor ich mit der assemblage beginne, möchte ich deine Ideen dazu hören. Ein Champagner soll eine Aussage machen, die der Genießer schon nach wenigen Schlucken versteht. Er muss Charakter haben, ein eigenes Ich.« Er beugte sich noch mehr über den Tisch, während er weitersprach: »Ich kann einen spritzig leichten Champagner kreieren, aber auch einen, der elegant und schwer wie ein teures Parfüm ist. Ich kann einen Champagner erschaffen, der vor allem von jungen Menschen geliebt wird. Ich kann aber auch einen Champagner für ältere Herrschaften machen, die erfahrungsgemäß eine eher holzige Note und reifere Nuancen schätzen. Alles ist davon abhängig, in welches Verhältnis ich welche Weine zueinander setze.«
Das Taschentuch in beiden Händen knetend, hörte Isabelle ihm aufmerksam zu. Dann schnäuzte sie sich so laut und undamenhaft, dass sie beide lachen mussten. Doch die Luft war danach wie gereinigt. Nun war ihre Konzentration voll und ganz auf ihn und die bevorstehende Aufgabe gerichtet.
»Es ehrt mich sehr, dass du mich nach meiner Meinung fragst, aber ich habe vom Champagnermachen doch überhaupt keine Ahnung. In meinen Augen ist es nicht nur eine Wissenschaft für sich, sondern zugleich eine Kunst.«
»Kunst hin oder her, ich möchte trotzdem gern erfahren, welche
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