Die Champagnerkönigin
Schafherde und sogar zwei Pfauen – allem Anschein nach war Jacques der Ansicht gewesen, die Luxusvögel würden seinem Anwesen ein gewisses »Flair« verleihen. Ein Bauernhof, hatte Isabelle bei Leons Schilderung entsetzt gedacht. Hoffentlich war sie nicht in einem französischen Nothzeit gelandet …
»Beruhige dich, meine Liebe!« Lachend ergriff Leon Isabelles rechte Hand und küsste sie. »Du tust ja gerade so, als würden dir zehn Jahre Kerker drohen! Es wird sich für alles eine Lösung finden. Um die Tiere kann sich Claude kümmern – wenn ich es richtig verstanden habe, war das bisher auch schon seine Aufgabe. Ich werde schauen, dass die Arbeit in den Weinbergen ordentlich erledigt wird, die Champagnerherstellung obliegt dem Kellermeister – er heißt übrigens Gustave Grosse und kommt morgen Mittag, um uns alles zu zeigen und zu erklären, darauf bin ich sehr gespannt. Im Gemüsegarten gibt’s derzeit eh noch nichts zu tun, also bleibt für dich nur das bisschen Arbeit im Haus. Und das wirst du ja wohl bewältigen.«
Sprachlos schaute Isabelle ihren Mann an. Sie in Schürze und Kopftuch am Waschtrog? Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Ihr Blick fiel auf die beiden Champagnergläser, die sie am Ende des Tisches bereitgestellt hatte. Eigentlich hatte sie gedacht, dass Leon am ersten Abend im neuen Zuhause eine Flasche Champagner holen und für sie öffnen würde. Stattdessen hielt er solche unerquicklichen Reden!
»Überleg doch mal, wie gut du es nun hast«, fuhr Leon mit lockender Stimme fort. »Bei uns zu Hause hat dich immer gestört, dass meine Mutter das Sagen hatte, hier jedoch bist du die Hausherrin. Du gibst den Ton an!«
»Den Ton angeben, das werde ich ganz bestimmt«, erwiderte Isabelle heftig. »Gleich morgen früh frage ich bei den Nachbarn herum, ob sie uns nicht ein junges Mädchen empfehlen können, das bei uns putzt und die Wäsche macht. Und nach einer guten Köchin halte ich ebenfalls Ausschau, beides wird ja wohl nicht allzu schwer zu finden sein. Du täuschst dich jedenfalls, wenn du denkst, dass ich meine Zeit mit so etwas verplempere! Ich werde mit der Organisation des Hauses sowie meinen repräsentativen Pflichten genug zu tun haben.« Zufrieden mit ihrem Entschluss schnitt sie eine dünne Scheibe Schinken ab und belegte ihr Brot damit.
»So einfach ist das alles nicht, Isabelle …«
»Ach ja?«, sagte sie schnippisch. »Ich kann darin nun wirklich keine Schwierigkeit erkennen.«
»Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll … Ich meine, wir haben ja noch nie über Geld und solche Dinge gesprochen. Aber … Es ist so … Mein Onkel hat mir zwar das Gut hier vererbt, aber nicht zusätzlich noch Geld.«
Isabelle fand den Anblick, wie er sich hilflos am Kopf kratzte und dabei seine Frisur verwirbelte, so rührend, dass ihre Aufsässigkeit dahinschmolz. Beschämung machte sich in ihr breit. Da saßen sie an ihrem ersten Abend in Hautvillers beisammen, und sie stritt wegen nichts und wieder nichts!
»Das weiß ich doch«, erwiderte sie sanft. »Keine Sorge, ich habe keine großen Anschaffungen vor, das Haus kann vorerst bleiben, wie es ist. Und unsere Angestellten werde ich ebenfalls zu einer sparsamen Haushaltsführung anhalten. Ein Antrittsfest für unsere Nachbarn werden wir zwar geben müssen, das gehört sich einfach, aber auch das lässt sich bestimmt in einem finanziell überschaubaren Rahmen halten. Ein kleines Dinner mit drei, höchstens vier Gängen –«
»Isabelle, Liebes, mit dir gehen schon wieder die Pferde durch!«, unterbrach Leon sie lachend. »Mit Einladungen musst du dich leider noch ein wenig gedulden. Und es ist auch kein Geld da, um irgendwelche Mägde oder Waschfrauen zu bezahlen. Das bisschen, das Mutter mir vor der Reise zugesteckt hat, ist in Reims draufgegangen. Und von deinem Vater kam ja bis zum heutigen Tag leider auch keine Unterstützung … Somit stecken wir momentan schlicht und einfach in einem finanziellen Engpass.«
Wie vom Donner gerührt saß Isabelle da, während sie versuchte, Leons Worte zu verdauen. Ihr Ehemann war mittellos? Er hatte geglaubt, das Geld würde von ihrer Seite kommen?
Bisher war sie immer davon ausgegangen, dass Leon über ein gewisses Einkommen verfügte. Immerhin gehörte er zu Europas besten Rennfahrern! Und bei den großen Rennen waren die Preisgelder ganz erklecklich. Außerdem – welcher Mann machte einer jungen Dame einen Heiratsantrag in dem Wissen, nicht für ihren Unterhalt sorgen zu können? So
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