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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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eine Sorte Trauben ins Fass. In diesem Fass gärt beispielsweise Pinot Meunier aus einer südlichen Lage, der Most wurde am neunten September gepresst.«
    »So früh?« Leon schien erstaunt. »Bei uns in der Pfalz haben wir Mitte Oktober mit der Ernte begonnen.«
    Gustave Grosse antwortete: »Wir hatten einen heißen Sommer, die Ernte fand früher statt als üblich. Es gab sogar schon Jahre, da ging’s bereits Ende August los.« Noch während er sprach, drückte er die obere Hälfte des großen Tores auf. »Im September und Oktober, wenn die Fermentation stattfindet, müssen die Temperaturen hier im Raum stets zwischen fünfzehn und zwanzig Grad betragen. Und wenn die Gärung vollzogen ist, müssen wir die Türen und Fenster öffnen, damit es in den Kellern kalt wird. Aber zuvor gilt es Zugluft unter allen Umständen zu vermeiden, die kann für die Hefen nämlich tödlich sein.«
    Isabelle nickte beeindruckt.
    »Bitte folgen Sie mir!« Mit einer Geste, die einem Schlossherrn gut gestanden hätte, winkte Gustave Grosse die beiden hinter sich her.
    »Es geht noch ein Stockwerk tiefer?«, rief Isabelle erstaunt, während sie dem Kellermeister mit zittrigen Knien eine klapprige Wendeltreppe hinabfolgte.
    Unten angekommen, sagte der chef de cave : » Voilà – les cellier !«
    Fassungslos schaute sich Isabelle um. Sie waren in einer Art Höhle gelandet, die ihrem Empfinden nach viele Meter tief unter der Erde liegen musste. Links und rechts von dem Platz, wo die Treppe mündete, gingen mehrere Gänge ab. Es war kalt, und es herrschte ein eigentümlicher Geruch vor, nach Kalk und Wein, nach Kork und Säure. Entlang den unendlich erscheinenden Gängen lagen Champagnerflaschen mannshoch gestapelt, es mussten Tausende, vielleicht sogar Zehntausende sein!
    »Diese Höhlen sind entstanden, als die Mönche von Hautvillers Steine für den Bau ihres Klosters abgetragen haben. Dafür war viel Baumaterial nötig, zurück blieben die leeren Gänge hier. Solche Kellergänge gibt es in der ganzen Champagne, kein Wunder bei den vielen Kirchen und Klöstern«, sagte Gustave Grosse. Seine Stimme klang gedämpft.
    »Das sind ja … Abertausende von Flaschen! Ein Schatz, ein Riesenschatz!«, rief Leon und rannte von einer Seite eines Gangs zur anderen.
    »Ein Stockwerk tiefer gibt es noch eine weitere Kellerebene«, sagte Grosse und zeigte auf die Wendeltreppe. »Dort liegt aber nur Champagner, der vor meiner Zeit hergestellt wurde, wahrscheinlich ist er längst ungenießbar.« Er winkte ab. »Aber wen inter­es­siert’s bei all den Schätzen hier?«
    Leon nickte zustimmend. Im nächsten Moment war er bei Isabelle, umfasste ihre Arme und führte mit ihr eine Art übermütigen Freudentanz auf.
    »Wir sind reich, Liebling, hab ich’s dir nicht gesagt?«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    Bereitwillig ließ sie sich von Leons Freude anstecken. Zum ersten Mal an diesem Tag lachte sie befreit auf. Ach, hätte sie doch bloß schon gestern einen Blick in diese Keller geworfen! Ihre Sorgen waren völlig unnötig gewesen.
    Völlig erschöpft ließ sich Isabelle zwei Stunden später auf einen der Küchenstühle sinken, während Leon den Ofen, der in ihrer Abwesenheit ausgegangen war, neu anzündete. Nach dem Kel­lerrundgang hatten sie noch einige der Weinberge besichtigt. Über Stock und Stein waren sie gelaufen, bergauf und bergab, während die Sonne langsam unterging. Immer wieder hatte Gustave Grosse auf die weißen Grenzsteine schauen müssen, um zu prüfen, ob sie sich auch wirklich auf Feininger-Land befanden. Einmal hatte er behauptet, auf ihrem Land zu sein, doch dann hatte Isabelle den Namen »Moët« auf einem verschmutzten Grenzstein entdeckt.
    »Grosse scheint keinen vollständigen Überblick darüber zu haben, welche Lagen zum Weingut Feininger gehören. Aber das ist ja auch kein Wunder, wo diese so verstreut liegen«, sagte Isabelle nun, während sich allmählich die Wärme im Raum ausbreitete. Zum ersten Mal seit Stunden ließ ihr Frösteln nach, und sie streckte die Arme, um ihren von der Kälte verspannten Nacken zu dehnen. Nachdem sie die Schuhe ausgezogen hatte, massierte sie ihre schmerzenden Füße. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals an einem Tag so viel gelaufen zu sein! Am Ende ihrer Besichtigungstour hatte es angefangen zu regnen, so dass sie nicht nur müde, sondern auch nass zurückgekehrt waren. Da es kein Dienstmädchen gab, dem sie ihre feuchten Sachen hätte in die Hand drücken können, hatte Isabelle ihre und

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