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Die Champagnerkönigin

Die Champagnerkönigin

Titel: Die Champagnerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Blond ist er, seine welligen Haare hängen ihm bis auf die Schulter, seine Augen haben die Farbe von alten Pfennigen …« Der Kerl hatte unverschämt gut ausgesehen. Als er vor ihr stand, war es ihr kurz durch Mark und Bein gefahren, nicht nur vor Schreck, sondern auch vor freudiger Erregung. Ein solches Gefühl hatte sie bisher nur ein einziges Mal empfunden, damals, als Leon in den Berliner Radsportverein stolziert war und laut gerufen hatte: »Mein Name ist Leon Feininger, man kennt mich!« Aber das behielt sie jetzt für sich.
    »Und er hatte eine Schere am Gürtel hängen«, fügte sie hinzu.
    » Das ist nun wirklich kein herausragendes Merkmal, Madame. Jeder hier trägt seine Rebschere bei sich, sécateur nennt man dieses Werkzeug übrigens. Es ist den Männern geradezu an der Hand festgewachsen, aber auch das werden Sie noch mitbekommen«, sagte Bertrand und hob ein wenig spöttisch die Augenbrauen. »Aber nach Ihrer übrigen Beschreibung kann es nur Daniel Lambert gewesen sein. Er streift auch im Winter durch die Weinberge, wie ein einsamer Fuchs in seinem angestammten Revier.« Der alte Mann lachte. »Freuen Sie sich, Madame Feininger, Sie haben gleich am ersten Tag den besten Kellermeister der ganzen Champagne kennengelernt, ach, wenn nicht sogar aller Zeiten!«
    Isabelle zog den Kopf ein wie ein Hund, der einen Schlag versetzt bekommen hatte.
    »Das war … kein gewöhnlicher Arbeiter?« Ein Schmetterling hatte sich auf dem tulpenroten Ärmel ihres Kleides niedergelassen. Sie tat so, als würde sie das Tier eingehend bewundern.
    »Von wegen! Daniel ist in der ganzen Champagne bekannt und sehr beliebt.«
    Isabelle gab einen erstickten Laut von sich. Dann wusste bestimmt schon bald das ganze Dorf von ihrem beeindruckenden »Auftritt« …
    »Hier bei uns hat Daniel übrigens auch schon einmal gearbeitet, das war vor ungefähr sechs Jahren. Jacques konnte sich glücklich schätzen, als der Junge bei ihm anfing. Er hat nämlich die Spürnase und den Gaumen seines Vaters geerbt – Frederick Lambert war ein begnadeter Kellermeister! Leider hat Jacques die Genia­lität des jungen Daniel nicht erkannt, er hat sich immer wieder unnötigerweise eingemischt, statt den Jungen einfach machen zu lassen. Es gab viel Streit auf dem Hof.« Das Bedauern in der Stimme von Claude Bertrand war nicht zu überhören. »Heute arbeitet Daniel bei den Truberts.« Der Verwalter wies in Richtung des großen Weinguts auf der anderen Talseite, das Isabelle am Vortag fälschlicherweise für ihr neues Zuhause gehalten hatte.
    »So genial kann dieser Mann gar nicht sein«, sagte sie spröde. »Sonst hätte er mich vorhin doch gleich über les pleurs aufgeklärt.« Daran, dass sie den Mann gar nicht hatte zu Wort kommen lassen, wollte sie sich lieber nicht erinnern. Und an das Bild, das sie abgegeben hatte – in der Erde wühlend und mit Rotz an der Nase –, erst recht nicht.
    »Davon abgesehen hat er in unseren Weinbergen nichts ver­loren, ich spaziere ja auch nicht durch fremde Gärten«, fügte sie aufgebracht hinzu.
    Claude Bertrand lächelte milde. »So fremd ist dieser spezielle Garten für Daniel gar nicht. Das Weingut Feininger gehörte ursprünglich seiner Familie. Sein Vater Frederick Lambert hat es am Kartentisch verspielt, als der Junge ungefähr acht und seine Schwester zehn Jahre alt war. Der Gewinner war Jacques.«
    »Leons Onkel hat das Weingut beim Kartenspiel gewonnen?« Wie vom Donner gerührt, beugte sich Isabelle über den Tisch. »Das gibt’s doch nicht!«
    »Oh, Sie können fragen, wen Sie wollen – obwohl die Geschichte nun schon über zwanzig Jahre her ist, erinnert sich jeder noch gut daran. Frederick hat sich kurze Zeit später umgebracht, wahrscheinlich als ihm aufging, welch großen Fehler er begangen hat. Der Junge und seine Schwester wuchsen danach bei einer Tante hier in der Straße auf, nur ein paar Häuser weiter. Madeleine ist inzwischen verstorben. Wenn alles normal verlaufen wäre, wäre Daniel Lambert der rechtmäßige Erbe von alldem hier. Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht verzeihlich, dass es ihn ab und zu in die Weinberge seiner Vorfahren zieht. Er ist mit dieser Erde verbunden wie kein anderer.«
    Isabelle stellte ihr Weinglas ab und seufzte.
    »Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass es viele Dinge gibt, die ich noch nicht wissen kann. Aber eins ist mir jetzt schon klar geworden: Hier auf dem Gut herrscht überall der Schlendrian!« Mit zitternder Hand riss sie eine Seite aus ihrem

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