Die Champagnerkönigin
angelangt war, klappte sie das Buch überfordert wieder zu. Sie wollte doch nur ein bisschen mehr über die Prozesse der Champagnerherstellung erfahren! Ein Hochschulstudium in Chemie mochte sie deswegen aber noch lange nicht betreiben.
Plötzlich fiel ihr Clara ein. Wie schön wäre es, die Freundin jetzt hierzuhaben! Clara würde das Haus bewundern und ihr viele Tips geben können. Und mit Pasteurs Informationen würde sie bestimmt auch mehr anzufangen wissen als sie selbst. Schließlich hatte sie schon als junges Mädchen den sehnlichen Wunsch gehabt, Pharmakologie zu studieren, um später die Apotheke ihres Vaters übernehmen zu können. Ständig hatte man sie mit irgendeinem medizinischen Fachbuch gesehen. Doch nach ihrer Heirat war von einem Studium nicht mehr die Rede gewesen, Isabelle nahm allerdings an, dass sich Clara im privaten Rahmen ihren Studien widmete.
Gedankenverloren trank sie einen Schluck des Kräutertees, den sie sich zubereitet hatte – dass sie das Feuer im Ofen hatte entzünden können, empfand sie als persönlichen Triumph. Wenn sie ehrlich war, hatte sie die brave Clara früher stets ein wenig belächelt. »Das Hausmütterchen« hatte sie die Freundin, die von ihren Eltern auf eine Haushaltsschule für angehende Ehefrauen geschickt worden war, im Stillen genannt. Isabelle schüttelte den Kopf. Wie hochnäsig sie doch gewesen war! Clara wäre bestimmt nicht so hilflos wie sie jetzt, was das Kochen, Putzen und all die anderen Haushaltspflichten anging.
»Von Clara könnte ich bestimmt einiges lernen«, murmelte sie vor sich hin. Ach, wie sehr sie ihre Berliner Freundinnen vermisste! Die Vertrautheit, mit der sie sich gegenseitig jede Schwäche eingestanden hatten, aber auch die Art, wie sie sich gegenseitig immer wieder Mut zugesprochen hatten … Im Geiste hörte sie auch jetzt Claras Stimme, die sagte: »Du schaffst das!«
Isabelle nickte stumm, dann trat sie an Jacques’ Schreibtisch und zog eine Schublade nach der anderen auf. Schon in der zweiten wurde sie fündig. Mit Briefpapier und Umschlag setzte sie sich wieder an das kleine Tischchen am Fenster.
Liebe Clara, schrieb sie. Ich hoffe, es geht Dir und Deiner kleinen Familie gut. Viel ist geschehen seit unserem letzten Briefkontakt. Leon und ich leben jetzt in der Champagne auf einem Weingut. Alles ist sehr neu und aufregend, mehr dazu schreibe ich Dir später einmal, jetzt jedoch benötige ich dringend Deine Hilfe …
Zufrieden mit sich und ihrem Werk, legte Isabelle eine halbe Stunde später Papier und Feder zur Seite. Im selben Moment hörte sie Leon oben rumoren. Gleich würde er die Treppe herabgepoltert kommen und nach einer ordentlichen Morgenmahlzeit rufen, so wie er sie zu Hause bei seiner Mutter gewöhnt gewesen war.
»Eier zu kochen kann ja nicht so schwer sein«, murmelte Isabelle, während sie in die Küche ging. Bis die Koch- und Haushaltsbücher, um die sie Clara gebeten hatte, bei ihr eingetroffen waren, würde sie sich irgendwie behelfen müssen. Zeit, um große Menüs zuzubereiten oder einen Großputz zu machen, hatte sie eh nicht, viel wichtiger war es, dass sie sich sämtliche Ordner in Jacques’ Büro vornahm, um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie es um das Weingut bestellt war. Außerdem wollte sie unbedingt weiter in Jacques’ Bibliothek studieren, sie durfte nicht ewig so unwissend bleiben, was den Weinanbau anging. Und was man im Umgang mit Hühnern, Pfauen und Pferden zu beachten hatte – darüber würde sich bestimmt auch noch ein Buch finden.
Als ihr Mann in voller Radlermontur und mit einigen Flaschen Feininger-Champagner unterm Arm die Küche betrat, warf sie sich ihm impulsiv in die Arme. »Ach Leon, ich bin so glücklich«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Du kümmerst dich um den Champagnerverkauf und ich mich um alles andere. Wir beide mit vereinten Kräften, davon habe ich geträumt …«
Schwungvoll trat Leon in die Pedale. Von Hautvillers in Richtung Marne ging es zwischen den Weinbergen fast nur bergab, am Fluss entlang waren die Straßen eben und sehr gut, er schätzte, dass er mindestens dreißig Stundenkilometer fuhr. Es war nicht viel los, und er sah zu seinem Bedauern keine anderen Fahrradfahrer, nur hie und da musste er einen Wagen, hoch beladen mit Weinkisten, überholen. Im Sommer und Herbst, wenn in den Weinbergen und Keltern Hochbetrieb war, herrschte auf den Straßen bestimmt mehr Verkehr. Was für ein Glück, dass sich der Champagnerverkauf so gut mit dem
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