Die Champagnerkönigin
Radfahren kombinieren ließ! Am liebsten hätte er sich für die Rennen in München und Paris angemeldet – bei den guten Trainingsmöglichkeiten hier wäre er bei den Frühjahrsrennen gewiss ganz vorn mitgefahren. Doch dafür ließ ihm sein neues Leben leider keine Zeit mehr.
Leon rückte mit der rechten Hand die Riemen seines schweren Rucksacks zurecht, während er einen herrschaftlich aussehenden Gebäudekomplex bewunderte, über dessen Eingangstor das Schild einer Champagnerkellerei hing. Der Name sagte ihm nichts, aber nach dem prunkvollen Äußeren zu urteilen, war es ein gutgehender Betrieb. Die schönsten und größten Häuser gehörten immer den vignerons , das hatte er schon erkannt. Und war es bei ihm zu Hause nicht auch so? Auch sein Haus war das schönste und größte weit und breit.
Zufrieden mit sich und der Welt, verlangsamte Leon sein Tempo, dann bog er in den Hof eines idyllisch am Marne-Ufer gelegenen Restaurants ein.
Nach einer herzlichen Begrüßung durch den Inhaber, den er bereits am Vortag kennengelernt hatte, holte er eine der Flaschen aus dem Rucksack und stellte sie mit großer Geste auf den Tresen. »Voilà – Feininger-Champagner!«
Der Wirt öffnete die Flasche gekonnt, dann schenkte er zwei Gläser halb voll. Nachdem er ein paar Schlucke getrunken hatte, nickte er in einer Weise, die Leon innerlich frohlocken ließ. Dass es so einfach war, mit den Leuten ins Geschäft zu kommen … Er grinste den Mann kameradschaftlich an. »Ganz schön süffig, unser Champagner, nicht wahr?«
Statt zu antworten, zog der Restaurantbesitzer ein Päckchen Zigaretten aus der Schublade des Tresens und hielt es Leon hin, der jedoch abwinkte. Es gab zwar Radfahrer, die man mit einer Zigarette zwischen den Lippen sah, doch er gehörte nicht dazu.
Der Patron inhalierte genussvoll.
»Was mich schon gestern brennend interessiert hat: Ihr Fahrrad da draußen, es sieht so schnittig aus! Sie fahren wirklich Rennen damit? Wie kommt man denn zu so etwas? Erzählen Sie doch einmal, bis die ersten Gäste kommen, habe ich Zeit …« Noch während er sprach, schenkte er großzügig Champagner nach.
Gutgelaunt verließ Leon das Restaurant zwei Stunden später wieder. Der Anfang war gemacht – immerhin hatte der Mann versprochen, ihm ein halbes Dutzend Flaschen abzunehmen.
Die nächste Station seiner Verkaufstour lag gerade einmal vier Kilometer flussabwärts und hieß Chez Annika. Mit der Namensgeberin des Restaurants hatte er am Vortag höchstpersönlich gesprochen und erfahren, dass sie die Ehefrau des Inhabers war. Ein hübsches Ding Anfang dreißig, mit großem Busen, langen Beinen und einem Hinterteil, das sie bei jedem Schritt gekonnt hin und her schwenkte. Ihre braunen Haare trug sie locker aufgesteckt, immer wieder fiel ihr eine Strähne ins Gesicht, die sie dann mit geradezu anzüglichen Bewegungen um ihren Finger wickelte. So macht sie es bestimmt auch mit uns Männern, hatte Leon bei sich gedacht. Er konnte sich gut vorstellen, dass die Reize der Wirtin für so manchen Gast Grund genug waren wiederzukommen.
Kaum hatte er das Restaurant betreten, stürmte Annika auf ihn zu.
»Monsieur Leon, wie schön, dass Sie gekommen sind!« Sie hakte sich bei ihm unter und führte ihn zu einem kleinen Tisch am Fenster. Zwei Gläser und ein Teller mit Gebäck standen dort bereit, als hätte sie schon auf ihn gewartet. Leon grinste. Die Aussicht auf den grün schimmernden Fluss, der sich im matten Spätwinterlicht träge dahinschlängelte, war wunderschön, doch er fand die Aussicht auf das freizügige Dekolleté seiner Gastgeberin noch deutlich interessanter. Das Öffnen der Champagnerflasche war Nebensache, die Komplimente, die Leon der Wirtsfrau währenddessen machte, hingegen nicht.
»Ein Champagner, so prickelnd wie die Liebe, finden Sie nicht?«, sagte er, während sie sich zuprosteten, und schaute Annika dabei tief in die Augen.
Sie erwiderte seinen Blick mit einem koketten Augenaufschlag und murmelte: »Wahrscheinlich ist man nach zwei, drei Gläsern zu allen Schandtaten bereit. Da sollte ich doch gleich über ein paar Kisten mehr nachdenken, oder was meinen Sie, Monsieur?« Ihre Knie berührten unter dem Tisch die seinen.
Leon spürte, wie sich Verlangen in ihm regte. Im nächsten Moment jedoch spürte er etwas anderes, nämlich eine Pranke, die auf seine linke Schulter herabfiel.
»Wir haben noch geschlossen, wenn ich Sie also bitten darf zu gehen, Monsieur!«
Leons Lächeln gefror. Die eisige
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